IN DER GEWALT DER RIESENAMEISEN
USA 1977 / O: „Empire of the Ants“ / AT: „Angriff der Nuklearmonster”; „H. G. Wells’ Empire of the Ants”; „Killer-Termiten“ / Prod.: American international Pictures; Cinema 77 / Laufzeit: 90 Min. / FSK: ab 16
Regie, Produzent, Story + Spezialeffekte: Bert I. Gordon / Musik: Dana Kaproff / Kamera: Reginald Morris / Schnitt: Michael Luciano / Ausf. Prod.: Samuel Z. Arkoff / Buch: Jack Turley / LV: H. G. Wells, “Empire of the Ants”, 1905
Joan Collins (Marilyn Fryser), Robert Lansing (Dan Stokely), John David Carson (Joe), Albert Salmi (Sheriff Kincade), Jacqueline Scott (Margaret Ellis), Pamela Susan Shoop (Coreen Bradford), Robert Pine (Larry Graham), Edward Power (Charlie Pearson), Brooke Palance (Christine Graham), Tom Fadden (Sam Russell), Irene Tedrow (Velma Thompson), Harry Holcombe (Harry Thompson), Jack Kosslyn (Thomas Lawson), Ilse Earl (Mary Lawson) sowie Norman Franklin, Janie Gavin, Florance McGee, Mike Armstrong, Tom Ford u.a.
„Riesenameisen sagen Sie? Kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Hätte nicht gedacht, dass ich so etwas einmal zu Gesicht bekommen würde.“
Das sind ja keine rosigen Aussichten, was uns da die Stimme aus dem Off prophezeit: Das Ameisen die Chancen hätten, dem Menschen die bestehende Weltherrschaft über diesen Planeten abzuluchsen. Und bla.
Der drohende Schichtwechsel auf Mütterchen Erde wird mit Momentaufnahmen aus dem Ameisen-Alltag verdeutlicht – und diese zählen zu den künstlerisch anspruchsvollsten Szenen dieses Films. Was kein Wunder ist, wenn klar wird, wer dafür verantwortlich ist: Bert I. Gordon. Jener Regie-Gigant, der uns in den 50ern so unvergessliche Riesenfilme wie DER KOLOSS (1957), ATTACK OF THE PUPPET PEOPLE (1958), GIGANT DES GRAUENS (1958) und DIE RACHE DER SCHWARZEN SPINNE schenkte.
Das Spektakulärste an den Filmen von Bert I. Gordon alias Mr. BIG waren die Filmplakate. Verbunden eben mit der ernüchternden Feststellung, dass die entsprechenden Szenen weniger spektakulär, sondern vielmehr niedlich und lustig aussahen. Und die Spezialeffekte meist nur aus billigen Rückprojektionen bestanden.
Dabei kann man gerade am Beispiel Bert I. Gordon sehen, wie sich doch so ein Filmemacher während seines künstlerischen Reifungsprozesses weiter entwickelt. Wo er 1958 in DIE RACHE DER SCHWARZEN SPINNE ganz simpel eine Riesenspinne durch grottige Rock’N’Roll-Mucke zum Leben erwecken und Leute erschrecken ließ, gab er sich 20 Jahre später, im gesetzten Alter, mit derartigen Trash-Trivialitäten dann nicht mehr zufrieden. Und packte seiner Monstergeschichte diesmal Öko-Kritik und Kapitalismus-Schelte hinzu. Hier sind es also Ameisen, die auf einer beschaulichen Florida-Insel nach der unsachgemäßen Entsorgung von Atommüll-Fässern zu schrankwandgroßen Ungeheuern mutieren. Aaarrrrgggghhhh!
IN DER GEWALT DER RIESENAMEISN ist Gordons zweite, ganz spezielle Aufarbeitung eines Stoffes von H. G. Wells: ein Jahr zuvor attackierte er die Filmwelt bereits mit INSEL DER UNGEHEUER. Hier wie dort blieb er seinem Faible für ausgefeilte Special-effects-Spielereien- und Eiereien treu: echte Tiere wurden mittels eines komplizierten technischen Verfahrens in den Film kopiert bzw. projektioniert; entsprechend vergrößert entsteht auf diese Weise ein riesiges, böses Monster. Nur: das sah schon 1958 mies aus und daran hat sich auch im Jahre 1977 nichts geändert. Soviel zum filmischen Reifungsprozess.
„Welche Hölle mag die ausgebrütet haben? „
Doch was so ein Bert I. Gordon ist, der sorgt schon dafür, das es eine Menge zu lachen gibt. Schon allein mit der Besetzung der Hauptrolle durch Joan Collins. Das Denver-Biest gab 1977 das Makler-Biest: als profitorientiertes Karrieremädchen will sie wertloses Inselland als Riesenimmobilie an naive Kunden und potentielle Investoren verschachern. Aus diesem Grund sackt sie ein paar vermeintlich interessierte Kunden in den Kutterkahn vom mürrischen Rauschebart-Käpt’n Robert Lansing (DAS NEST) und ab geht’s zur „Traumküste“, wo schon bald ein Häuser-Paradies für gut betuchte Mitbürger entstehen soll. Die sind diesmal noch nicht dabei, an Bord befinden sich nur ein Rentnerpärchen, eine arbeitslose Sekretärin, ein Feigling und diverse Versager, Spießer, Säufer und Heulsusen. Keiner dabei, der ernsthaft ein Haus kaufen will, sondern nur der kleine Mann, der sich bei Sektcocktail und Appetitshäppchen auf einem kostenlosen Ausflug durchschlaucht. Prost!
Doch dann, mit einem Mal, schlägt die Rache der Natur hart und erbarmungslos zurück: die Traumküste verwandelt sich in eine Alptraumküste, die von unzähligen Riesenameisen bevölkert wird. Wie konnte das nur passieren? Bert I. Gordon liefert die Antworten. Und hinterlässt jede Menge unfreiwillige Komik.
Bei der nachfolgenden Hatz durch Wald und Sumpf bleibt die Hälfte auf der Strecke, die Überlebenden setzen sich verzweifelt mit Beil und Paddel zur Wehr, hysterisch kreischende Frauen stolpern gezielt über Baumstämme, während Joan Collins zwischen zwei Bäumen fest hängt und sich einen Ast schreit. Da regnet es in Strömen, obwohl am Himmel freundlich die Sonne strahlt. Da durchbricht ein Auto mit fünf Insassen eine Polizeisperre und plumpst ins Gewässer, doch bei der Stuntszene sitzt nur noch eine Person drin. Und dann noch lauter dilettantisch getrickste Riesenameisen, deren quiekende Schreilaute sich kaum von denen der anwesenden Damen unterscheiden. Im letzten Drittel dann ein Schauplatzwechsel: eine Handvoll Überlebender erreicht mit letzten Kräften eine Kleinstadt – und dort müssen sie entsetzt feststellen, dass deren Einwohner dem Willen der Ameisenkönigin ausgeliefert sind… Was für ein riesengroßer Spaß!
Die tricktechnisch „beste“ Szene ist die, in der Gordon einen Schwung Riesenameisen den Bootssteg entlang krabbeln lässt. Ansonsten wird auch diesem Gordon-Spätwerk die Unvollkommenheit seiner Spezialeffekte zum Verhängnis, insbesondere dann, wenn die Ameisenmonster mit den Darstellern zusammen in einer Szene auftauchen. Lustig auch wenn die Biester eine Zuckerraffinerie stürmen, was aber teilweise so aussieht, als ob sie in der Luft krabbeln. Für die Angriffsszenen und Nahaufnahmen mussten sich die Schauspieler kreischend unter zappelige Monsterkostüme legen, was nicht weniger amüsant anzusehen ist. In den 50ern hätte man da noch zwinkernd das Auge zugedrückt, doch für das Jahr 1977 sieht das Ganze doch sehr zurück geblieben aus.
IN DER GEWALT DER RIESENAMEISEN ist ein gewaltiger Riesenblödsinn, formal und inhaltlich die reinste Katastrophe. Gordons Öko- und Kapitalismuskritik kann man in dieser Weise keinesfalls ernst nehmen, wer es dennoch tut, ist selber schuld. Dass das hier Geschehene kaum noch was mit H. G. Wells zu tun hat, steht wohl außer Frage. Aber immer noch genug Stoff für ein schräg-trashiges Monsterfilm-Vergnügen der Extraklasse.
- „Die fotografischen Effekte sind ziemlich lausig und noch nicht einmal für einige hämische Lacher gut.““ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Tricktechnisch wie dramaturgisch indiskutabler Insektenhorror aus der untersten Klischeeschublade.““ (Harry Lieber, HÖLLE AUF ERDEN)