PIRANHA 3D
USA 2010 / O: "Piranha" / Prod.: Dimension Films; IPW; Aja / Levasseur Productions; Atmosphere Entertainment MM; Chako Film Company; Weinstein Company / Laufzeit: 87 Min. / FSK: ab 18
Regie: Alexandre Aja / Musik: Michael Wandmacher / Kamera: John R. Leonetti / Schnitt: Baxter / Ausf. Prod.: Steve Barnett, Scott Fischer, Louis G. Friedman, J. Todd Harris, David Hopwood, Ryan Kavanaugh, Andrew G. La Marca, Chako van Leeuwen, Vincent Marawal, Alix Taylor, Bob Weinstein, Harvey Weinstein / Prod.: Alexandre Aja, Mark Canton, Grégory Levasseur, Marc Toberoff / Buch: Pete Goldfinger, Josh Stolberg / Make-Up-Effekte: Gregory Nicotero, Howard Berger
Elisabeth Shue (Sheriff Julie Forester), Steven R. McQueen (Jake Forester), Ving Rhames (Deputy Fallon), Jerry O'Connell (Derrick Jones), Christopher Lloyd (Mr. Goodman), Richard Dreyfuss (Matt Boyd), Eli Roth (Wet-T-Shirt-Host), Jessica Szohr (Kelly), Adam Scott (Novak), Dina Meyer (Paula), Ricardo Chavira (Sam), Paul Scheer (Andrew), Kelly Brook (Danni), Riley Steele (Crystal), Cody Longo (Todd Dupree), Brooklynn Proulx (Laura Forester), Sage Ryan (Zane Forester), Brian Kubach (Brett), Franck Khalfoun (Deputy Green), Gregory Nicotero (Boots-Kapitän), Devra Korwin (Mrs. Goodman), Ashlynn Brooke (Cheerleader), Gianna Michaels (Parasailing Girl) sowie Cavin Gray-Schneider, Genevieve Alexandra, Bonnie Morgan, Jason Spysak, Kim Stys u.a.
„Mein Gott, ich hab‘ noch nie so ’ne große Spalte gesehen.“
Der alte Mann und das Meer. Okay, nicht gleich Meer, hier ist es nur ein See. Aber irgendwie scheint es Richard Dreyfuss (RED) doch immer mal wieder auf’s Gewässer hinaus zu ziehen. Diesmal ist er auf Angeltour. Etwas mürrisch schaut er drein. Bevor er im wahrsten Sinne des Wortes in den Strudel der Ereignisse hinein gezogen wird, darf er noch „Show Me The Way To Go Home“ anstimmen, jenen Song, den er 1974 (Ja, damals war’s) zusammen mit Roy Scheider und Robert Shaw trällerte, bevor sie gegen den WEISSEN HAI in den Kampf zogen. Diesen konnte er noch bezwingen, aber was ist mit der Gefahr, die nach einem Seebeben aus den Tiefen des Gewässers auftaucht? Eines wird bald blutige Gewissheit werden: Was damals DER WEISSE HAI nicht fertig brachte, das führen jede Menge hungriger, gefräßiger Piranhas zu Ende.
Der tolle Einstiegs-Opener, der mit der Zerhackstückelung von Leinwand-Oldie Richard Dreyfuss einen der ironischsten Kino-Gastauftritte der letzten Jahre liefert, ist der Auftakt zu Alexandre Ajas knallbunt-trashigem Monsterfisch-Revival. Die Zitate-Palette wird mit einem weiterem Wiedersehen eines allseits bekannten und beliebten Schauspiel-Darlings gekrönt. Im Verlauf der turbulenten Geschehnisse wird es Christopher Lloyd sein, der in bester „Doc Brown“-Manier herum wuselt und kundtun darf, dass dieser spezielle Piranha, den das Seebeben in Tageslichtnähe rückte, eigentlich vor 2 Mio Jahren ausgestorben ist, verbunden mit der Feststellung: „Piranhas jagen als Meute. Beim ersten Biss fließt etwas Blut. Das Blut zieht die Meute an.“ Und hier wird jede Menge Blut fließen.
An dieser Stelle sollte man nochmals erwähnen, dass es sich hier keinesfalls um ein Remake des Joe-Dante-Klassikers PIRANHA aus dem Jahre 1978 handelt, wird doch hier eine ganze andere „Story“ mit ganz anderen Charakteren erzählt:
Der Piranha-Meute steht zunächst eine ganz andere Meute gegenüber: Lauter partygeile, sexhungrige, alkoholisierte Jungs und Mädels, die in entsprechender Feierlaune sind, denn ein kulturelles Großereignis namens Spring Break steht auf der Tagesordnung. Sheriff Julie Forester (Elisabeth Shue, HOLLOW MAN) und Deputy Fallon (Ving Rhames, DAY OF THE DEAD) haben mächtig zu tun, um die Partyschweine und -säue in Schach zu halten. Aus diesem Grund wird der 17jährige Sheriffsohn Jake (Steven R. McQueen) verdonnert für seine beiden kleinen Geschwister Zane und Laura Babysitter zu spielen. Doch der Heranwachsende hat freilich andere Pläne, nicht zuletzt wegen des vorherrschenden Tittenalarms. Spring Break hat auch den Softponro-Regisseur Derrick Jones (köstlich: Jerry O’Connell) angezogen und genau dieser engagierte den unschuldigen Jake als „seinen Mann“, damit er für ihn die besten Drehorte der Gegend zeigt. Auf seinem Porno-Boot will sich der Schmuddelfilmer nämlich mit seinen Hauptdarstellerinnen (Kelly Brook und Riley Steele) seinem neuestem Meisterwerk widmen. Ein unmoralisches Angebot, welches Jake unmöglich ablehnen kann; also werden die lieben Geschwisterchen geschmiert, die heimlich Angebetete (Jessica Szohr, GOSSIP GIRL) mit auf’s Schiffchen gehievt, um sich ganz und gar Derrick Jones‘ nicht nur filmischen Ergüssen zu widmen. Dummerweise ist da eben auch noch das eingangs erwähnte Seebeben gewesen, das hier einen See unter dem See offenbart und zur blutigen Entdeckung für zwei Tiefseetaucher (kurz dabei: Dina Meyer und Ricardo Chavira) wird. Und so sorgt das Tiefseewunder für jede Menge Bisswunden, Fleischwunden, Platzwunden etc., denn prähistorische Piranhas wurden durch das unterirdische Beben vom Grund des Sees befreit und diese finden, Spring Break sei Dank, jede Menge Frischfleischfutter vor. Das Ergebnis: ein Massaker, wie es die Filmgeschichte schon lange nicht mehr gesehen hat…
Nein, das ist nichts für den Nase rümpfenden Cineasten-Snob, der mit seinen verkrachten Krawalllesben im Programmkino irgendeine sterbenslangweilige Arthaus-Sülze reinzieht und sich allein dadurch als anspruchsvoller Kunst- und Kulturkenner definiert. Dabei spiegelt PIRANHA 3D letzten Endes die Urform des Kinos wieder: und das wären Sex, Gewalt und gute Laune. Also wie im richtigen Leben.
Nach dem hierzulande unveröffentlichtem und deshalb kaum bekanntem FURIA (1999), seinem Aufsehen erregendem Durchbruch HIGH TENSION (2003) sowie den beiden gelungenen Remakes THE HILLS HAVE EYES – HÜGEL DER BLUTIGEN AUGEN (2006) und MIRRORS (2008) ist PIRANHA 3D Alexandre Ajas vierter abendfüllender Spielfilm – und als solcher wie seine anderen Beiträge ein sehenswertes Großereignis für (fast) alle Horrorfans und solche, die sich dafür halten. Alexandre Aja weiß einfach wie’s geht.
Wo HIGH TENSION aufgrund der Ernsthaftigkeit und vorhandenen zermürbenden Atmosphäre mit seinem Aufsehen erregenden Splatter-Szenario auch den abgebrühtesten Horrorfan sprachlos machte, dient das hier vorhandene Effekte-Bombardement dem reinen Amüsement – und funktioniert in diesem Sinne ausgezeichnet. Erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Aja dies gelingt: PIRNAHA 3D ist ebenso smart wie sexy, aber in seiner Unverkrampftheit und Unbekümmertheit genauso schonungslos-hemmungslos. Und gerade deshalb so erfrischend. In PIRANHA 3D funktioniert genau das, was in anderen unqualifizierten B- und C-Movie-Vertretern der Sparte „Tier-Horror“, dank Einfalls- und Talentlosigkeit, schon mal grundsätzlich schiefgegangen ist: Vom Einstiegs-Opener mit dem obligatorischem erstem Opfer (hier also Richard Dreyfuss) über dem Opfer-Happen zwischendurch (neben dem Klippen-Springer sind es hier die zwei Tiefseetaucher) bis hin zum blutigem Massaker, zu dem dieser feucht-fröhliche Horrorspaß zielgerecht hinarbeitet.
Passend dazu plappern die bewusst klischeehaft gehaltenen Charaktere, die sich je nachdem total eindimensional oder vollkommen überzogen durch das Geschehen chargieren, unentwegt Dialoge, die mal spaßig-kommentierend und dann wieder einfach nur bescheuert sind. Dazu wird eine Freizügigkeit an den Tag gelegt, die anderswo ihres gleichen sucht. Der vorherrschende und ausgiebig zelebrierte Tittenalarm á la Russ Meyer (der hier seine helle Freude hätte) findet seinen Höhepunkt in einem ausgiebigen Unterwasserballett zwischen Pornostar Kelly Riley und Pin-Up-Girl Kelly Brook, zu dem passend dazu das klassische „Flower Duet“ aus dem Opernschinken „Lakmé“ erklingt.
Aber wie das so ist: in solchen Filmen sind schöne Körper dazu da, dass man sie entsprechend zerstört; die blutigen Resultate in diesem Fall: angeknabberte oder komplett abgenagte Knochen, abgetrennte Köpfe, Amputationen, per Kabel zweigeteilte Körper, da wird einer jungen Frau mittels rotierendem Motorboot-Motor die Gesichtshaut weggerissen, eine andere Schönheit findet sich nach dem Gleitschirmfliegen ohne Beine wieder. Herrlich. Aja scheut sich nicht mal davor, zwei Piranhas um einen abgerissenen Penis streiten zu lassen, der sich im nachhinein als unbekömmliche Kost herausstellt und wieder ausgerülpst wird.
Das die 3D-Technik hier manchmal überhaupt nicht funktioniert scheint ihm dabei schnuppe zu sein. Gerechterweise sollte man hier auch noch erwähnen, dass PIRANHA 3D ursprünglich in 2D (also ganz „normal“) gefilmt wurde und nachträglich konvertiert wurde (ähnlich also wie ein ganz anderes Trash-Spektakel: KAMPF DER TITANEN). Das führt denn dazu, dass die Menschen am Rande manchmal zweigeschichtet sind, die Tiefenverhältnisse nicht so recht stimmen und unter Wasser, wenn die Piranhas zuschlagen, überhaupt nicht zu erkennen ist, was denn da gerade passiert. Dafür stimmt die von Hand gemachte Effektarbeit umso mehr, wofür das N und B in der Splatterwerkstatt KNB bürgen: Gregory Nicotero und Howard Berger, die zusammen mit ihrem Team viel zu dem Splatter-Inferno beitrugen.
En weiteres wichtiges Standbein: die Darsteller. Aja hat da ein paar Schauspieler-Trümpfe in der Hand, die er auch entsprechend zu nutzen weiß. Highlights sind hier natürlich die Gastauftritte der Veteranen Richard Dreyfuss und Christopher Lloyd, deren Cameos sowohl Parodie als auch Hommage auf ihre Rollen in DER WEISSE HAI bzw. ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT sind, jene Klassiker des Genres, die ihn entscheidend geprägt und beeinflusst haben. Ob nun Elisabeth Shue in ihrer Sheriff- und Mutterrolle, Steven R. McQueen als ihr Sprössling oder der stets gern gesehene Ving Rhames, der sich auf seine Tage mit einer Meute gefräßiger Piranhas anlegt: sie alle wissen hier durchaus zu gefallen. Jerry O’Connell glänzt als schmieriger Pornofilmer, dem ausgerechnet sein bestes Stück abhanden kommt, und Dina Meyer endet in ihrer Minirolle als bis auf die Knochen abgenagtes Piranha-Futter. Und all die, die HOSTEL hassen, werden sich auch freuen: nachdem der dafür verantwortliche Eli Roth (als Bärenjude in INGLOURIOUS BASTERDS endgültig zum Kultstar aufgestiegen) in SOUTHLAND TALES auf dem Klo erschossen wurde, verliert er hier (als Präsentator des Wet-T-Shirt-Contests) sprichwörtlich den Kopf. Das kann in so einem Film schon mal passieren.
James Cameron soll übrigens nicht sehr begeistert gewesen sein, als er von dem Projekt hörte. Da kann man ihm in Bezug auf den eher grottigen 3-D-Effekt auch zustimmen. Doch er sorgte sich mehr darum, dass es gerade solche Filme sind, die die 3D-Technolgie mit ihrer reinen Ausrichtung auf Sex und Gewalt in Verruf bringen könnten. Ohne Zweifel hat er mit seinem AVATAR sehr viel dazu beigetragen, 3D wieder salonfähig zu machen – aber er hat es nicht für sich gepachtet. Ursprünglich war es geplant, ihn und Joe Dante (Regisseur des Original-PIRANHA von 1978) für Cameo-Auftritte zu engagieren. Dante bekundete ernsthaft Interesse, Cameron dagegen lehnte dankend ab. Offenbar hat er vergessen, wo er hergekommen ist; also hier noch mal zur Erinnerung: sein Spielfilm-Debüt gab der Roger-Corman-Schüler James Cameron 1981 – und zwar mit PIRANHA II – FLIEGENDE KILLER…
- Neben Alexandre Aja’s Regie-Kollege Eli Roth hat auch sein langjähriger Weggefährte Franck Khalfoun einen kurzen Auftritt (als Deputy). Khalfoun war in HIGH TENSION als Darsteller mit dabei, bevor er 2007 mit P2 – PARKHAUS DES SCHRECKENS (bei dem Aja als Produzent und Co-Autor tätig war) sein Regiedebüt gab
- „Wie die sagenhaft freizügige Spaßattacke auf die amerikanische (Un-)Kultur in ein irrwitziges Splatterinferno umschlägt, inszeniert Frankreichs Horrorexperte Alexandre Aja mit smart eingesetzten 3D-Effekten und so viel ironischem Schmackes, dass nicht nur Genrefans ihre helle Freude haben werden. So plastisch und sexy war Tierhorror noch nie!“ (TV SPIELFILM)
- „Splatter- und Trash-Filme wieder dieser funktionieren nur, wenn man sie konsequent selbstironisch anlegt. Und an dieser satirischen Absicht lässt PIRANHA 3D nie einen Zweifel. Wer glaubt, Humor wäre der Spannung einer solchen Geschichte abträglich, sei herzlich deingeladen, sich eines Besseren zu belehren lassen von diesem herzhaften Spaß für alle ab 18 Jahren.“ (André Wesche, SÄCHSISCHE ZEITUNG, 13.10.2010)
- „Alle Zutaten sind perfekt miteinander abgeschmeckt. Die Akteure waren mit offensichtlichem Spaß bei der Sache, die Splatterszenen sind top notch, und die witzigen Elemente bleiben auch nicht auf der Strecke.“ (Sylvio Constabel, DEADLINE #23 05/2010)
- „Ehrlich, geradeaus und voll auf die Zwölf: Aja’s Killerfisch-Reboot ist Softsex-Splatter-Spaß in Reinform, der Technik-Fehler mit reichlich Trash, Titties und tollen Darstellern egalisiert.“ (Daniel Schröckert, VIRUS #37)