„Das Wort mit Z sagen wir nicht!“
Regie: Edgar Wright / Musik: John Deacon, Dan Mudford, Pete Woodhead / Kamera: David M. Dunlap / Schnitt: Chris Dickens / Ausf. Prod.: Tim Bevan, Eric Fellner, Alison Owen, Natascha Wharton, James Wilson / Prod.: Nira Park / Buch: Simon Pegg, Edgar Wright
Darsteller: Simon Pegg (Shaun), Kate Ashfield (Liz), Nick Frost (Ed), Lucy Davis (Dianne), Dylan Moran (David), Nicola Cunningham (Mary), Bill Nighy (Phil), Peter Serafinowicz (Pete) sowie Arvind Doshi, Horton Jupiter, Tim Baggaley, Robert Fitch, Jessica Stevenson u.a.
Schleichend schleichen sich die bleichen Zombie-Leichen ein: SHAUN OF THE DEAD ist die originellste, witzigste und intelligenteste Zombie-Komödie seit Peter Jackson’s legendärem Blutrausch-Exzess namens BRAINDEAD (1992). Zu Beginn glaubt man noch, eine Beziehungsdramödie vor sich zu haben – und so bleibt es auch bis zum Schluss. Der Werbeslogan zu dieser britischen Genre-Perle könnte kaum passender sein: „Eine romantische Komödie – mit Zombies.“
Shaun (Simon Pegg) ist nun schon Ende 20 und lebt immer noch in einer WG. Wenn er mit seinem korpulenten, stinkfaulen Kumpel Ed (Nick Frost) nicht gerade an der heimischen Spielkonsole zockt, geht er mit ihm im Pub „Winchester“ dem (Un-)Sinn seines Lebens nach. Seine Brötchen verdient er in einem tristen Supermarkt-Job, wo er Fernseher und Kabelanschlüsse an den Mann bringt. Für Shaun’s Freundin Liz (Kate Ashfield) nicht gerade rosige Aussichten für eine echte Beziehung – und so gibt sie ihm den Laufpass. Shaun steckt in einer echten Lebenskrise, doch da ist er nicht alleine, denn viele Londoner haben zur Zeit ebenfalls eine … wenn auch ganz anderer Natur als die seine. Während er ziemlich deprimiert ist und mit Ed seinen Kummer in Hochprozentigem ersäuft, greift in London eine gefährliche Epidemie um sich. Tote Menschen beißen lebende Menschen, die als lebende Untote noch lebende Menschen beißen. Für Shaun die Gelegenheit, sich endlich mal als Held zu erweisen: Diesmal will er alles richtig machen! Er schnappt sich seine Mutter und seinen grimmigen Stiefvater (Bill Nighy, UNDERWORLD; FLUCH DER KARIBIK 2) und er schnappt sich Liz, die auch noch zwei WG-Genossen (eine erfolglose Schauspielerin und ein Arschloch) mit im Schlepptau hat. Mit dem dicken Ed im Gespann machen sie sich durch ein völlig chaotisches London auf dem Weg zum sichersten Ort der Stadt: dem „Winchester“!
Bereits 2003 wurde London von einer Untoten-Plage heimgesucht, zumindest in Danny Boyle’s Zombie-Reanimation 28 DAYS LATER. Während der von Boyle tadellos inszenierte Endzeit-Streifen in der ersten Hälfte mit London’s leer gefegtem Schreckensszenario fesselte, in der zweiten aber nur diverse Genre-Vorbilder zitierte, gehen Edgar Wright & Simon Pegg hier ganz anders heran: nämlich von der komischen Seite. SHAUN OF THE DEAD ist ein echter Glücksgriff, voller verrückter Situationen und schrulligen, neurotischen Charakteren, die von der durch die Bank weg grandios agierenden Darstellerriege Leben eingehaucht bekommen, was ihnen aber durch Heerscharen an Zombies wieder genommen wird. Unter den vielen brillanten, herrlich makabren Einfällen und gelungenen Running-Gags finden sich zum Beispiel ein Zombiedarsteller-Casting und eine Schallplatten-Sammlerauflösung der ganz speziellen Art.
In den letzten Jahren konnten wir eine weltweite Renaissance an Zombiefilmen- und komödien erleben: aus Spanien kam MUCHA SANGRE (2002), die australischen Spierig-Brüder überraschten mit UNDEAD (2003), die Irländer drehten DEAD MEAT (2004) und auch Hollywood ließ sich nicht lumpen und haute uns DEAD & BREAKFAST (2004) um die Ohren. Doch selten passten Komik, Tempo und Timing wie bei SHAUN OF THE DEAD, denn erstaunlicherweise funktioniert dieser komische Untoten-Angriff besser und wirkungsvoller als die vielen „ernsthaften“ Zombiestreifen, die sich hier nicht nur in filmischer Sicht eine dicke Scheibe abschneiden können. Neben dem typisch britischen Humor werden auch, passenderweise, die vielen blutigen, rabiaten Splatterszenen nicht ausgespart, etwa wenn Liz’ schnöseliger WG-Genosse durchs Fenster gezerrt und von gierigen Zombiehänden regelrecht ausgenommen wird – eine gelungene Hommage an die legendären, von Tom Savini kreierten Ausweide- und Gedärmwühlszenen in DAWN OF THE DEAD (1978) und DAY OF THE DEAD (1986).
Interessant auch, wie die Zombies Einzug in diese turbulente, abwechslungsreiche Geschichte halten. Sonst sind es ja immer bakterielle Seuchen, Voodoo-Zauber oder schief gegangene wissenschaftliche Experimente, welche die Toten wieder auferstehen lassen. Hier scheint es fast so, als wären die Zombies schon immer da gewesen: gleichgeschaltete Supermarktkassiererinnen, ferngesteuerte Einkaufswagenschieber in großen Konsumtempeln, Arbeiter im schlürfendem Gleichschritt. Lediglich einige beunruhigende Nachrichtenfetzen, die auf irgendwelchen Fernsehern im Hintergrund von einer ausgebrochenen Epidemie berichten, und vereinzelte, panikartig flüchtende Personen verkünden von einer Bedrohung, die schon bald alles ganz anders werden lässt. Doch Shaun ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, mit dem Blumenstrauß für seine Mutter und dem Abendessen mit Liz, als dass er die Zombies um sich herum wahrnimmt. Bis sie jedenfalls in seinem Garten stehen. Manchmal erweisen sich die Lebenden als ziemlich tot und die nicht mehr Lebenden als äußerst lebendig. Sie wanken durch die Straßen, trotten als Konsumzombies durch die Supermärkte, stehen neben dir, genau wie du selbst, oder hocken im Bus, allesamt der Monotonie verfallen. Lebst du noch oder stirbst du schon?
Schön an dieser rundherum gelungenen Horrorcomedy ist, dass man mit ihr auch Leute begeistern kann, die sonst einen großen Bogen um Filme machen, in denen Menschen von gierigen Zombies der Mageninhalt entnommen wird. Eine wunderbare Parodie und Hommage, zu intelligent für das anspruchslose SCARY MOVIE-Publikum. Es sei noch angemerkt, dass die Zombie-Thematik in BRAINDEAD und RETURN OF THE LIVING DEAD III (1993) letztendlich nur dazu diente, dass zwei sich Liebende endlich zueinander finden, in welcher Weise auch immer. So auch hier. Es brauch halt erst Zombies, damit der vor sich hin vegetierende Shaun seine kaputte Beziehung kittet, seinem tristen Job-Leben entkommt und auch sonst mit seinem Leben aufräumt. Und er wird aufräumen! Und endlich erwachsen werden und Verantwortung übernehmen.
- George A. Romero, der Erfinder des Zombiefilms, war so sehr begeistert (insbesondere wie Goblin’s DAWN OF THE DEAD-Soundtrack zu Beginn zitiert wird), dass er die SHAUN OF THE DEAD-Macher Edgar Wright und Simon Pegg für einen lustigen Cameo-Auftritt in seinem DAY OF THE DEAD-Nachfolger LAND OF THE DEAD (2005) engagierte. Die beiden meldeten sich 2007 mit HOT FUZZ zurück, wo sie sich dem nächsten Genre zuwendeten: dem Action-, Cop- und Buddyfilm. Pegg spielt darin einen Elitepolizisten, der zu gut für seinen Job ist und von seinen Vorgesetzten in ein ödes Kaff verbannt wird, das durch eine relativ hohe Unfallstatistik auffällt. Unter der vielversprechenden Besetzung mit Timothy Dalton, Jim Broadbrent, Martin Freeman, Paul Freeman, Steve Coogan, Stuart Wilson und Edward Woodward gibt es einen Cameo-Auftritt von Peter Jackson und ein Wiedersehen mit Nick Frost und Bill Nighy. Wer SHAUN OF THE DEAD mochte, dem wird auch HOT FUZZ, der zweite Teil der „Cornetto“-Trilogie, gefallen
- Indsider-Gags: der Laden, in dem Shaun seinem öden Jobleben nachgeht, nennt sich „Foree Electronics“, benannt nach DAWN OF THE DEAD-Darsteller Ken Foree. Und es erklingt dieser eine magische Satz: „Wir werden dich holen, Barbara!““
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SHAUN OF THE DEAD basiert auf einer Episode der 14teiligen BBC-Sitcom SPACED (1999 – 2001), welche berühmten Filmvorbildern die besondere Referenz erweist. Edgar Wright inszenierte auch ein Fake-Trailer-Segment zwischen dem Tarantino/Rodriguez-Doppel GRINDHOUSE.
- „Von Grabesstille keine Spur: Sympathische Liebeskomödie mit wüsten Splattereinlagen.““ (Philipp Schulze, CINEMA 01/05)
- „Was sich die beiden Autoren für ihre Persiflage haben einfallen lassen, ist teilweise ein echter Brüller. Das verdient um so mehr Respekt, da nicht wenige Horror-Parodien gerade am komischen Teil oft gescheitert sind und nicht mehr als platte Kalauer ablieferten, über die man schon beim ersten Ansehen eines Films kaum lachen konnte.“ (Stefan Novak, MOVIESTAR 01/2005)
9/10