Regie: Robert Day / Musik: Buxton Orr / Kamera: Geoffrey Faithfull / Schnitt: Peter Mayhew / Ausf. Prod.: Richard Gordon [ungenannt] / Prod.: John Croyden und Charles F. Vetter jr. / Buch: John Croyden [als John C. Cooper] und Charles F. Vetter jr. [als Lance Z. Hargreaves] / Story: Wyott Ordung
Darsteller: Marshall Thompson (Commander Chuck Prescott), Marla Landi (Tia Wellington [OF: Tia Francesca]), Bill Edwards (Lt. Dan Prescott), Robert Ayres (Captain Ben Richards), Bill Nagy (Wilson), Carl Jaffe (Dr. Paul Petersen [OF: Dr. Paul von Essen]), Roger Delgado (Konsul von Mexiko), John McLaren (Beamter des Aussenministeriums), Richard Shaw (Witney), Michael Bell (Kavallerist) sowie Bill Nick, Helen Forrest, Rowland Brand, Barry Shawzin, John Fabian, Spencer Teakle, Chuck Keyser u.a
Nach UNGEHEUER OHNE GESICHT bildet RAKETE 510 den 6. Titel der liebevoll aufgemachten 50er-Jahre-Trashbox „Galerie des Grauens“ aus dem Hause Anolis Entertainment. Mit diesem 1959 ebenfalls in England entstandenem Sci-Fi-Monsterfilm setzten die Produzenten Richard Gordon und John Croyden ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit Marshall Thompson, der ein weiteres Mal aus den USA eingeflogen wurde, fort.
Die ersten Tage der bemannten Raumfahrt stehen an und Lt. Dan Prescott möchte der sein, der als erster Mann im Weltraum Geschichte schreiben soll. Schon beim Testflug mit „Rakete 509“ ignoriert er die Warnungen und Befehle seines Bruders, der zugleich sein direkter Vorgesetzter ist: Chuck Prescott (Marshall Thompson). Dan bricht alle Rekorde – diesmal ging alles gut aus. Noch. Beim Testflug mit „Rakete 510“ fliegt Dan wieder viel zu weit in den Weltraum hinein, da, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen ist. Doch nachdem er im Staub der Sterne die Kontrolle über „Rakete 510“ verloren hat, stürzt diese ab; er selbst bleibt verschwunden.
Wenig später passieren gar schreckliche Dinge: ein Dutzend Kühe, das abgeschlachtet wurde, eine verwüstete Blutbank und mehrere Todesopfer, deren Wunden einen „zackigen Riss oberhalb der Kehle“ aufweisen. Der mit den Untersuchungen beauftragte Chuck Prescott findet an den Tatorten schon bald eine Spur: mysteriöse, silberne Staubkörner aus dem Weltall. Die wurden auch seinem Bruder Dan zum Verhängnis. Zum Monster mutiert ist er nur auf eines aus: Blut, Blut und nochmals Blut!
RAKETE 510 nennt sich im Original ein wenig kühn und fast schon heroisch FIRST MAN INTO SPACE und wusste an der Kinokasse von realen Ereignissen zu profitieren: nur wenige Wochen nach dem Kinostart im Februar 1959 fanden tatsächlich Testflüge mit einer Raumrakete statt. Was die die öffentliche Meinung natürlich bestimmte. Das Wettrüsten zwischen Amerikanern und Russen war im vollem Gange und wurde mitsamt dem kalten Krieg schon mal bis in den Weltraum hinein verlagert; „Wer ist zuerst da?“, war die Frage, die damals dominierte und 1961 von den Russen beantwortet wurde.
Dementsprechend ist der Film auch militärisch geprägt. Befehle, die befolgt und ausgeführt werden müssen, wechseln sich ab mit Bildern von startenden und landenden Kampfjets, daneben gilt es, eine strenge Hierarchie-Ordnung aufrecht zu erhalten. Wenn das Militär und Wissenschaft miteinander kollaborieren: Speziell die erste halbe Stunde ist sehr nüchtern und auf Seriosität betont, das ist nicht uninteressant, dürfte aber vor allem für den Blockbuster geschädigten Kinobesucher von heute eben auch ein wenig langatmig sein. Dabei sollten auch diese Zuschauer sich überwinden und mal einen Blick in so eine 50er-Jahre-Schwarz-weiß-Low-Budget-Geschichte riskieren, auch wenn es sich wie im vorliegenden Fall um einen eher durchschnittlichen Beitrag handelt.
Wie mag so ein Film auf den Kinobesucher im Jahre 1959 eingewirkt haben? Ob beabsichtigt oder nicht: jedenfalls gelang es den Machern damals ihr Publikum, nicht ungeschickt, in die Irre zu führen. Dieses war auf die filmische Aufbereitung der neuesten Errungenschaften in Sachen Weltraumfahrt gefasst und bekam genau das – zunächst – auch zu sehen, dabei dürfte aber so manch Zuschauer überrascht gewesen sein, wenn dann auf einmal ein Monster aus dem Busch springt und Leute umbringt. Kann passieren, wenn man sich zu weit in den Weltraum wagt.
Das Drehbuch schrieben die beiden Produzenten John Croyden und Charles F. Vetter unter den Pseudonymen John C. Cooper bzw. Lance Z. Hargreaves, wobei man sich auch einiger Elemente eines früheren Drehbuchentwurfs von Wyott Ordung bediente.
Die eigentliche Inspirationsquelle aber ist die erfolgreiche Hammer-Produktion SCHOCK (1955), die erste von insgesamt drei Kinoadaptionen um den Wissenschaftler Quatermass. Von dort übernimmt RAKETE 510 die zuvor schon in einigen Kurzgeschichten und Groschenromanen thematisierte Idee vom Raumfahrer, der verändert zur Erde zurück kehrt, ohne aber die Klasse des Vorbilds zu erreichen. Selbst der optimistische Schluss wurde plagiiert, denn trotz alledem hält man am Ende auch hier an weiteren Raketenflügen fest.
Trotz aller Sachlichkeit, die zumindest in der ersten halben Stunde dominiert, ist RAKETE 510 letzten Endes die spekulative Ausbeute eines zur damaligen Zeit angesagten Themas, sowohl was das Kino als auch die Realität betrifft: die Anfänge der bemannten Raumfahrt. RAKETE 510 will die Folgen zeigen, die – im nachhinein – bei dem ersten Mann im Weltraum auftreten können: Die Mutation in ein Monster.
Schwerfällig und mit stapfenden, schlürfenden Schritten verrichtet es seine Tat. Stapf und schlürf und schrei. Klar das mit dem Auftreten des krustig-rustikalen Monsters, wofür man sich im übrigen sehr viel Zeit lässt, der Trashfaktor in die Höhe schnellt. Im weiteren Verlauf wird es folgendermaßen beschrieben: „Es hat große Kraft, zertrümmert alles, was es berührt, es ist ungeschickt und weiß so einiges über Technik.“
Das LKW und PKW steuernde Gummimonster-Ungetüm ist nicht grad gut zu Fuß, findet aber willige Opfer: die machen sich nicht mal die Mühe und nehmen einfach mal ihre Beine in die Hand, sondern stehen starr und doof da. Im Finale folgt der zum Monster mutierte Astronaut den Lautsprecherdurchsagen seines Arztes, schwankt über Korridore und Treppen in Richtung Luftdruckkammer, wo er/es zur Besinnung kommt, sich auf seine frühere Existenz als menschliches Wesen besinnt, mit klagender Stimme seine Bedeutung für die Raumfahrt hervor hebt und sich mit netten, versöhnlichen Worten von Freundin und Bruderherz aus dem Leben verabschiedet.
Selbst in diesen teils grotesken Szenen ist man immer noch um Realismus und Ernsthaftigkeit bemüht. Und so gibt’s on Anfang bis Ende jede Menge wissenschaftliche Untersuchungen, Tests, Analysen, Ergebnisse, Theorien, Fragen und manchmal sogar Antworten, so ernüchternd (oder doch haarsträubend?) diese auch ausfallen mögen.
Letztlich geht es auch um einen Bruderkonflikt: da ist Dan, der immer höher, schneller und weiter hinaus will, und da ist Chuck, der ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück holen muss. Doch davon ist Dan schon längst abgehoben. Auf dem Boden der Tatsachen landet er ziemlich unsanft: als mutiertes Monster. Marla Landi (die später an der Seite von Christopher Lee in den Hammer-Produktionen DER HUND VON BASKERVILLES (1959) und PIRATEN AM TODESFLUSS (1962) zu sehen war) spielt dessen Freundin, die dann nur noch die Funktion hat, beim Anblick dessen, was da aus dem Weltraum zurück gekehrt ist, laut und gellend zu schreien. Bis Sigourney Weaver als Ripley in Erscheinung trat hatten Frauen im Science-fiction-Film kaum eine andere Funktion inne – und das sollte noch 20 Jahre dauern.
- Robert Day führte auch Regie im Boris-Karloff-Alterswerk THE HAUNTED STRANGLER (THE GRIP OF THE STRANGLER), mit dem UNGEHEUER OHNE GESICHT zunächst im Doppelprogramm lief, und CORRIDORS OF BLOOD (mit Boris Karloff und Christopher Lee), dem zweiten Titel, der mit RAKETE 510 ein Double Feature bilden sollte. Wie im Fall von UNGEHEUER OHNE GESICHT entschloss sich MGM RAKETE 510 in den Staaten eigenständig laufen zu lassen.
- Zwischen UNGEHEUER OHNE GESICHT und RAKETE 510 war Marshall Thompson 1958 in IT! THE TERROR FROM OUTER SPACE von Edward L. Cahn (dort ging es um die erste bemannte Mars-Expedition und einem Monster, das so auf die Erde gelangt) und im Thriller THE SECERET MAN (abermals eine Richard-Gordon-Produktion) zu sehen. Aber das nur nebenbei.
- Wyott Ordung war der, der das Skript zu ROBOT MONSTER (1953), welcher als einer der schlechtesten Science-fiction-Filme von sich reden machte, verantworten musste, was ihn persönlich tief traf.