„Dämonen sind die Fußsoldaten des Teufels.“
Regie: Mikael Håfström / Musik: Alex Heffes / Kamera: Ben Davis / Schnitt: David Rosenbloom / Ausf. Prod.: Richard Brener, Merideth Finn, Robert Bernacchi / Prod.: Beau Flynn, Tripp Vinson / Buch: Michael Petroni / LV: Matt Baglio
Darsteller: Anthony Hopkins (Father Lucas Trevant), Colin O’Donoghue (Michael Kovak), Alice Braga (Angeline), Ciarán Hinds (Father Xavier), Toby Jones (Father Matthew), Rutger Hauer (Istvan Kovak), Marta Gastini (Rosaria), Maria Grazia Cucinotta (Tante Andria), Arianna Veronesi (Francesca), Andrea Calligari (Vincenzo), Chris Marquette (Eddie), Torrey DeVitto (Nina), Ben Cheetham (junger Michael) u.a.
Dämonen, Besessenheit, Teufelsaustreibung, Okkultismus, Satanismus – allesamt höllisch gute Zutaten, die im Genre Horrorfilm das Beste vom Besten hervorgebracht haben, was Klassiker wie Roman Polanski’s ROSEMARY’S BABY und William Friedkin’s DER EXORZIST bewiesen haben.
Beginnend mit einem Zitat von irgend so einem Papst und dem fast schon obligatorischen „Beruhend auf wahren Begebenheiten“-Hinweis, der deutlich machen soll, wie sehr sich der Schrecken in der Realität breit gemacht hat, folgt der jüngste Beitrag nach diversen anderen Exorzistenfilmen (Hans-Christian Schmid’s REQIUEM; Scott Derrickson’s DER EXORZISMUS DER EMILY ROSE und Daniel Stamm’s THE LAST EXORZIST) zunächst dem unentschlossenem Leben eines jungen Mannes namens Michael Kovak (Colin O’Donoghue). Der arbeitet mit seinem Vater (Rutger Hauer) im familiär geführtem Bestattungsunternehmen; der Tradition wegen bleiben für ihn nur zwei berufliche Wahlmöglichkeiten übrig: entweder Bestatter oder Priester zu werden. Zwei Berufszweige, die so weit auch nicht auseinander liegen, bringt doch sowohl der eine als auch der andere die Menschen zu Grabe. Michael entscheidet sich tatsächlich dafür, Priester zu werden, doch der skeptische, alles hinterfragende und eben ungläubige junge Mann verfällt in zunehmendem Maße in Zweifel und ist nahe dran, sein Theologiestudium hinzuschmeißen. Sein Mentor Pater Matthew (Toby Jones), der große Stücke auf ihn hält, kann ihn jedoch überzeugen, an einem Exorzismusseminar in Rom teilzunehmen – nicht zuletzt auch deswegen, weil ihm sonst die Kosten für sein Studium von der Kirche in Rechnung gestellt würden.
Beim Seminar für angehende Exorzisten fällt Michael vor allem durch kritische Fragen auf – wenn er schon nicht so richtig an Gott glaubt, dann noch weniger an die Existenz von Dämonen. Um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, schickt ihn Seminarleiter Pater Xavier (Ciarán Hinds) zu dem mit ihm befreundeten Pater Lucas Trevant (Anthony Hopkins), der mit eher unorthodoxen Mitteln arbeitet – und als Exorzist praktiziert. Und wie es der Zufall will, betreut er gerade ein 16jähriges schwangeres Mädchen (Marta Gastini), das von einem Dämonen besessen sein soll…
Die lose, im späterem Verlauf mit phantastischen, gängigen Genre-Elementen angereicherte Verfilmung des Bestsellers „Die Schule der Exorzisten: Eine Reportage“ von Matt Baglio hat ihre stärksten Momente zu Beginn, wenn mit Andeutungen, subtilem Grauen und kleinen Details gespielt wird, etwa wenn die heimische Küche, in welcher Vater und Sohn nach verrichteter Arbeit ihr Mahl zu sich nehmen, genauso steril und leblos ist wie die nebenan liegende Leichenkammer. Viel grusliger und unheimlicher als das nachfolgend angezündete Horrorbrimborium sind hier die zwar wenigen, aber erinnerungswürdigen Szenen mit Oldtimer Rutger Hauer, der, schweigsam und mit zurückhaltenden Gesten, eine Bedrohlichkeit ausstrahlt, die er eigentlich gar nicht besitzt, sondern nur in der Vorstellungskraft seines Sohnes existiert. Letzten Endes ist er auch nur ein liebender Vater.
Vom Vater zum Father: Betritt der wie immer charismatische Anthony Hopkins die Szenarie, dominiert er auch sie auch. Tatsächlich benutzt der dominante Pater Lucas einige Taschenspielertricks „aus seiner Zauberkiste“, um den vermeintlichen Exorzismus durchzuführen und in Anlehnung an DER EXORZIST fragt er Michael mit bitterer Ironie, ob er denn die „sich drehenden Köpfe und die Erbsensuppe“ vermisst habe. Doch dann dauert es gar nicht mehr so lange, bis sich der Kopf verdreht und wenn schon keine Erbsensuppe ausgespuckt wird, dann wenigstens rostige Nägel. Was folgt ist ein mit Geisterbahneffekten, Dämonengekicher und Flüsterstimmen angereichertes Sammelsurium sattsam bekannter Ideen, wobei der aufdringliche Score von Alex Heffes das Gepolter auch noch auf eine penetrante Weise untermalen musste (obwohl er mit angenehmen Klavierklängen beweist, das es auch anders geht). Oftmals scheitern ja Horrorfilme daran, wenn sie den Schrecken unbedingt sichtbar machen wollen. Wenn dann aber ein Esel mit rotglühenden Augen seine Hufen im Schnee hinterlässt, wird’s einfach nur lächerlich. Da fragt man sich, was für ein Esel es war, der das Drehbuch schrieb. War er vielleicht auch besessen?
Interessanter als das Exorzistenkuddelmuddel durchzuführen wäre es auch gewesen, wenn man die Frage, ob das Teenagermädchen tatsächlich besessen oder einfach nur schizophren ist, weiter bis zum Schluss verfolgt hätte, selbst wenn diese Thematik bereits u.a. von Hans-Christian Schmid in seinem subtilen, intensivem REQUIEM auf eindringliche Weise behandelt wurde. Allemal besser als der nachfolgende Griff in die Klischee- und Mottenkiste des Okkultthrillers.
Regisseur Mikael Håfström trifft jedenfalls keine Schuld, arbeitet der alte Schwede, der u.a. in seiner Heimat das Jugenddrama EVIL und später in Hollywood die fabelhafte Stephen-King-Verfilmung ZIMMER 1408 mit John Cusack inszenierte, handwerklich gewohnt solide, wenn auch ohne sich besonders zu verausgaben. Atmosphäre schafft er hierbei besonders bei den in Rom spielenden Szenen. Das wohlige Schaudern, das im vor kurzem gelaufenen THE LAST EXORCISM, welcher geschickt von den Mitteln einer Mockumentary Gebrauch machte, ausging, bleibt unerreicht, denn hier werden einfach zu viele Klischees bedient. Dem Subgrenre Okkultthriller kann auf diese Weise keine neuen Seiten abgewonnen werden.
„Du kannst dich entscheiden, nicht an den Teufel zu glauben. Aber das schützt dich nicht vor ihm“, prophezeit Pater Lucas dem skeptischen, jungen Mann. Letztlich ist das ganze Dämonengewusel nötig, damit ein weiterer Zweifelnder zu seinem Glauben und so zu seiner wahren Berufung findet. Die katholische Kirche wird’s jedenfalls freuen, wie hier ihre Institution im allgemeinen und der christliche Glaube im besonderem mitsamt dazugehöriger Vormachtsstellung zelebriert wird.
knappe 6/10