Regie: Jon Favreau / Musik: Ramin Djawadi / Kamera: Matthew Hastings / Schnitt: Dan Lebental / Ausf. Prod.: Ari Arad, Peter Billingsley, Louis D’Esposito, Jon Favreau, Michael A. Helfant, Stan Lee / Prod.: Avi Arad, Kevin Feige / Buch: Mark Fergus, Hawk Ostby, Art Marcum, Matt Holoway, basierend auf Charakteren von Stan Lee, Don Heck, Larry Lieber, Jack Kirby
Darsteller: Robert Downey Jr. (Tony Stark / Iron Man), Gwyneth Paltrow (Virginia „Pepper“ Potts), Jeff Bridges (Obadiah Stane / Iron Monger), Terrence Howard (Jim Rhodes), Leslie Bibb (Christina Everhart), Shaun Toub (Yinsen), Faran Tahir (Raza), Bill Smitrovich (General Gabriel), Clark Gregg (Agent Phil Coulson), Tim Guinee (Major Allen), Will Lyman (Laudator), Sayed Badreya (Abu Bakaar), Jon Favreau (Hogan), Peter Billingsley (William), Stan Lee (als sich selbst) sowie Marco Khan, Kevin Foster, Jim Cramer, Garret Noel, Gerard Sanders, Eileen Weisinger, ungenannt: Samuel L. Jackson (Nick Fury) u.a.
SPIDERMAN, X-MEN, BLADE, HULK, DAREDEVIL, THE FANTASTIC FOUR – nachdem nun die verschiedensten Filmstudios mit den Superhelden aus dem Hause Marvel, diesem weltweit erfolgreich agierendem Unterhaltungsapparat, die Kinokassen klingeln ließen, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sie ihre eigene Produktionsfirma auf die Beine stellen sollten, um auf der großen Leinwand mitzumischen. Bislang war Marvel ja nur als Co-Produzent beteiligt, nun wollten sie endlich ihre eigenen Wege gehen und nahmen Millionenkredite auf, verbunden eben mit dem Risiko, dass sie sich bei einem finanziellen Misserfolg damit selber ruinieren. Nun debütierten sie also mit ihrer ersten selbst finanzierten Comic-Kino-Adaption: IRON MAN, dessen Vorlage mittlerweile auch schon 45 Jahre auf dem Buckel hat und die Fans in bislang über 600 Geschichten erfreute.
Was anfänglich noch mit Skepsis aufgenommen wurde, entpuppt sich mit Robert Downey Jr. in der Titelrolle im Nachhinein als Besetzungscoup. Er hat einen herrlichen Auftritt zu Beginn, wenn er sich ganz lässig mit einem Army-Fahrzeug durch das holprige Afghanistan kutschieren lässt und zur Mucke von AC/DC mit einem Whiskyglas in der Hand bereitwillig den Soldaten für Schnapsschüsse zur Verfügung steht. Robert Downey Jr. ist mit seinem coolen Auftreten und den lockeren Sprüchen einfach wunderbar als Multimilliardär Tony Stark, diesem umtriebigen Frauenheld, der im Privatjet heiße Partys feiert und dem es nix ausmacht, im Casino Unsummen zu verjubeln. Trotz Arschloch-Qualitäten schafft er es, dass man Sympathien für ihn entwickelt. Nebenbei ist dieser Tony Stark auch noch Bastler und Tüftler und Mitinhaber einer Rüstungsfirma, die für die Army und andere zahlungskräftige Kunden gigantische High-Tech-Waffen baut, getreu dem Motto: „Die beste Waffe ist die, die nur einmal abgefeuert werden muss.“
Doch diesmal verläuft alles ganz anders. Nach einer glänzenden Präsentation in der afghanischen Einöde wird der Militär-Konvoi beschossen und Stark von Terroristen gefangen genommen. Für sie soll er eine neue Waffe bauen. Doch mit Unterstützung von Yinsen, einem ebenso mysteriösen wie hilfsbereitem Arzt (Shaun Toub), der ihn insgesamt zwei Mal das Leben rettet, entwickelt er stattdessen eine Rüstung, die ihm die Freiheit wieder geben soll. Und das war nur der Prototyp: daheim angekommen, arbeitet er ganz emsig an der Entwicklung und dem Design seiner multifunktionalen High-Tech-Rüstung. Nach erstem Probefliegen wirbelt er bald als neuer Superheld durch die Lüfte. Tony Stark ist jetzt IRON MAN, vom Lebemann zum Lebensretter.
Als IRON MAN 1963 als Comic-Figur in dieser rauschenden Sprechblasen-Blätter-Welt erschien, war er ein Held, der deutlich antikommunistische Züge trug. Ein knappes halbes Jahrhundert später wurde sein erster Kino-Auftritt entsprechend geupdatet. Hier sieht er sich von Terroristen und Waffenschiebern umgeben. Als Tony Stark in Geißelnahme gerät, sieht er sich von seinen eigenen Erzeugnissen und Erfindungen bedroht; von Granaten, Waffen und Raketen, die ihm nur allzu bekannt vorkommen: sie sind nämlich aus dem Hause „Stark Industries“. Er, der seine florierende Waffenindustrie etwa mit der Sicherung des Friedens rechtfertigte, muss erkennen, dass Waffen eben auch in die falschen Hände geraten können. Eine Tatsache, mit der sich ein Tony Stark noch nie auseinandergesetzt hat. Geläutert von den traumatischen Ereignissen in den dunklen Höhlen von Afghanistan, wohl auch deshalb, weil sein eigenes Leben in Gefahr geriet, beginnt nach seiner Heimkehr ein Umdenken in ihm. Tony Stark hat beschlossen, sein Wissen, seine Erfahrung, aber auch seine von ihm erfundenen Technologien nicht mehr zur bloßen Massenproduktion von Waffen, die nur Tod und Vernichtung bringen, einzusetzen.
Ach, wie war das noch mal bei den Themen Krieg, Terrorismus und Waffenlobby, die der IRON MAN umkreist und dabei diesem einen von vielen unterdrückten Völkern zu Hilfe eilt? Keine Parallelen zur Gegenwart deuten, keine Botschaft finden, wo eigentlich keine ist, nicht politisch korrektes und schon gar nichts politisch unkorrektes entdecken? Im Unsinn keinen Sinn finden und nichts interpretieren, wo nichts zu interpretieren ist? Nun, in erster Linie ist IRON MAN ein Unterhaltungs-, jedoch kein Aufklärungsfilm, aber die nicht wenigen Anspielungen auf Waffen- und Rüstungswahn sowie dem dazu gehörigen, boomenden Industriezweig tragen zu Beginn sogar die ironischen Züge von LORD OF WAR und sind in diesem Fall mit einigen bösen Seitenhieben auf die US-Politik nicht von der Hand zu weisen. Doch in erster Linie funktioniert eben IRON MAN als reiner Unterhaltungsfilm (manche nennen es auch Popcornkino) und in dieser Hinsicht hält der Film, was sein toller Kinotrailer versprochen hat.
IRON MAN ist spannend, witzig, unterhaltsam, ideenreich, eben genau die richtige Mischung aus Action und Handlung. Einige hätten sich hier noch mehr Action gewünscht und das vor allem zugegebenermaßen allzu standardmäßige Finale bombastischer vorstellen können, gerade in Bezug auf das TRANSFORMERS-Gepolter von Michael Bay. Im Gegensatz zu diesem lärmenden Film legt IRON MAN einen Gang kürzer ein, was nur gut sein kann, denn das Übermaß an schnell geschnittenen Actionszenen, bei denen man manchmal nicht wusste, was da überhaupt geschah, kann auch abtörnend wirken. Meines Erachtens wurde hier genau das richtige Verhältnis von Action und Handlung getroffen, um vor allem auch die Charaktere nicht ins Hintertreffen zu lassen. Es spricht nur für Regisseur Jon Favreau und seinem Film, der eben nicht dem Krampf verfallen ist, alles zuvor Gesehene unbedingt übertrumpfen zu müssen. Warum auch? Und auch wenn der Storyverlauf, gerade in Bezug auf das Aufeinandertreffen von Superheld und Superschurke, eher konventioneller Natur bleibt, so ist er genau in dem richtigen Tempo inszeniert und mit genügend Ideen gespickt, um zwei Stunden perfekt unterhalten zu können.
Für humoristische Auflockerung sorgen zum Beispiel Downey Jr.’s zahlreiche Gespräche mit seinen roboterähnlichen Maschinen und Computern, die ihn seinem Geheimlabor bei der Entwicklung und Perfektionierung des IRON MAN-Anzuges tatkräftig unterstützen, wobei sogar ein schon fast sensibel erscheinender Feuerlöscher (!) zum Einsatz kommt, dessen Übereifer er mit den Worten kommentiert: „Wenn du mich noch einmal löschst, verkaufe ich dich an ein College!“ Köstlich. Zudem hat Tony Stark nach seiner Rückkehr in seine Heimat nichts anderes übrig, als erst einmal einen Burger in sich hinein zu mampfen – wat mut, dat mut. So erleben wir ihn dank seiner psychologisch glaubwürdigen Darstellung als einen manchmal tragischen, in jedem Fall aber glaubwürdigen Helden. Ein Superheld ohne Superkräfte, denn ohne seine Iron-Man-Rüstung ist Tony Stark genauso schutzlos und verwundbar wie wir alle.
Wie sehr Robert Downey Jr. die Idealbesetzung dieses Charakters ist, zeigt sich darin, dass in einer früheren, Anfang der 80er Jahre erschienenen Comic-Geschichte Tony Stark als Alkoholiker dargestellt wurde. Da hat der Held also etwas mit seinem Darsteller gemeinsam, wie eben Downey jr.’s zahlreiche Alkohol- und Drogeneskapaden, verbunden mit Psychiatrie- und Gefängnisaufenthalten, der vergangenen Jahre beweisen. Schlagzeilenkräftige Storys, die mich weit weniger interessieren als seine Arbeiten als Schauspieler und doch kann man ihn nur wünschen, dass er jene unangenehme Zeit endlich überwunden hat. Von seiner schauspielerischen Wandlungsfähigkeit hat er jedenfalls nichts verloren, wie eben seine skurrilen Auftritte in so unterschiedlichen Filmen wie CHAPLIN (1992), SHORT CUTS (1993), NATURAL BORN KILLERS (1994), WONDER BOYS (2000), KISS KISS BANG BANG (2005) oder ZODIAC (2007) bewiesen haben. In der Kriegsfilm-Satire TROPIC THUNDER (2008) tritt er an der Seite von Ben Stiller und Jack Black sogar als Schwarzer auf!
Mit der Besetzung von Tony Starks Gegner Obadiah Stane, dem Miteigentümer seiner Firma, konnte man einen zweiten Besetzungscoup landen: Jeff Bridges! Allein schon sein gewagter Look (Vollbart und Glatze) ist ein absoluter Hingucker, einfach nur genial. Seine herrlich fiese Performance erinnert so gar nicht mehr an den gutmütigen, kiffenden Dude in THE BIG LEBOWSKI (1998). Da muss Obadiah Stane nach Tony’s Ankündigung, sich aus der kommerziellen Rüstungsindustrie zurückziehen zu wollen, schon die Fassung wahren, ehe er sich einen eigenen, monströseren Kampfanzug bauen lässt. Zum Schluss kommt es zum Duell: Iron Man vs. Iron Monger.
Robert Downey Jr.’s weitere Mitstreiter Gwyneth Paltrow (SIEBEN, 1995; SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW, 2004), die ihm als ebenso treue wie resolute Sekretärin assistiert (womit denn auch eine zarte Liebesband angestrebt wird) sowie Terrence Howard (RAY; L. A. CRASH, beide 2004) als dessen alter Jugendfreund und Militär-Kumpel haben zwar weit weniger exzentrische Rollen, doch wissen auch sie zu gefallen.
Was bleibt, ist ein gelungener Kino-Einstand, der Lust auf weitere Abenteuer macht. Wonach es auch aussieht, denn Tony Stark wird nicht nur in der lange vor sich her geschobenen Fortsetzung THE INCREDIBLE HULK, die IRON MAN in Kürze folgen wird, einen Gastauftritt absolvieren, fleißige Abspanngucker werden ganz zum Schluss mit einem Cameo von Nick Fury, dem Leiter der Anti-Terror-Einheit S.H.I.E.L.D., belohnt – und der wird von keinem geringeren dargestellt als Samuel L. Jackson! In dieser Hinsicht macht Marvel’s Entschluss, selbst als Finanzier aufzutreten, durchaus Sinn: nämlich verbunden mit der Absicht, mehrere Superhelden, wie eben in den zahllosen Comicgeschichten schon geschehen, in einem Film auftreten zu lassen. Es gibt noch viel zu erzählen.
- Jon Favreau, bekannt als Schauspier und Gelegenheitsregisseur, schlägt sich tapfer in seiner ersten Big-Budgte-Produktion. Vor der Kamera agierte er z.B. im Weltuntergangsdrama DEEP IMPACT, als heiratswilliger Trottel in der makabren Brutalo-Komödie VERY BAD THINGS (beide 1998) und in DAREDEVIL (2003), wo er schon einmal mit Marvel in Berührung kam. Hinter der Kamera realisierte er für das Familienkino ZATHURA – EIN ABENTEUER IM ALL (2005). Ganz unscheinbar und uneitel gab er sich auch in IRON MAN eine kleine Nebenrolle: als einer von Tony Stark’s Leibwächtern.
- Die vielen Effekte besorgten wieder die Spezialisten von George Lucas’s ILM-Studios, Iron Man’s Rüstung dagegen wurde von den Stan-Winston-Studios gebaut.
- In der deutschen Kinofassung ist der Film gegenüber um ca. 2 Minuten geschnitten (!), vornehmlich bei einigen härteren Gewaltszenen. Da hat man bei dieser merkwürdigen Film-Politik schon für die erscheinende DVD vorauskalkuliert und in Gedanken kann man bei der ganz sicher erscheinenden Extended Version auf dem Cover lesen: Länger als die Kinofassung! Furchtbar.
- Und natürlich hat auch wieder Stan Lee seinen obligatorischen Cameo-Auftritt!
- „Tolle Darsteller, gute Tricks, witzige Dialoge, unterhaltsam ist der Film schon – und trotzdem zündet „Iron Man“ nicht so richtig. Vielleicht, weil man als Kinogänger in den letzten Jahren mit dem Genre Superheldenfilm regelrecht überfüttert wurde. (…) Der „sense of wonder“, den gerade diese Streifen brauchen, will sich jedenfalls nicht einstellen.“ (Lutz Göllner, ZITTY, 29.04.08)
- „Regisseur Favreau bietet jedoch mehr, als es bei Vergleichswerken wie Transformersoder Fantastic Four der Fall war: Neben all den obligatorischen CGI-Mätzchen und der lautstarken Bombast-Action gibt es auch feinsinnige Gags, eine Hauptfigur mit psychologischer Tiefe und bitterböse Seitenhiebe auf die aktuelle US-Politik. So ist Iron Man insgesamt ein ebenso kurzweiliger wie cleverer Film geworden, der AC/DC-Elektrogitarren-Krawall mit Anspruch verbindet – klasse!“ (Dörte Langwald, WIDESCREEN VISION.DE, 25.04.08)
- „Regisseur Jon Favreau gibt den Comicfans, was sie von einer „Iron Man“-Verfilmung erwarten: eine mit allen futuristischen Extras ausgestattete Ganzkörper-Rüstung, um Tony Stark in den mit Überschallgeschwindigkeit fliegenden Iron Man zu verwandeln sowie einen Kampf der Giganten, bei dem jede Menge Autos durch die Gegend fliegen und manche Scheibe zu Bruch geht. Vor allem aber liefert er eine überraschend ausgefeilte Porträtstudie des eigenbrötlerischen Erfinders.“ (Axel Schock, BERLINER ZEITUNG)
- „Das ist ja so wunderbar! Voll verrückt! Vergesst alles, was ihr über Comicverfilmungen wisst –„Iron Man“ ist anders: witzig, spritzig, spannend, ironisch, komisch, aber auch extrem actionreich. Ein Popcornfilm, bei dem man fast vergisst, das Popcorn zu essen. So fesselnd ist die Story, so cool sind die Dialoge, so super ist dieser Held, der sich nämlich selbst nicht so ernst nimmt.“ (Nikolaus Schmidke, BILD)
8/10