CANNIBALS - WELCOME TO THE JUNGLE
SA 2007 / O: „Welcome to the Jungle“ / Prod.: Bauer Martinez Home Entertainment; Valhalla Entertainment; Stelbridge Filmworks / Laufzeit: 78 Min. (uncut) / FSK: k.J.
Regie + Buch: Jonathan Hensleigh / Kamera: Jonathan Hensleigh, John Leonetti / Schnitt: John Leonetti / Ausf. Prod.: Phillippe Martinez, Donald A. Barton / Prod.: Gale Anne Hurd
Sandi Gardiner (Mandi), Callard Harris (Colby), Nickolas Richey (Mickey), Veronica Sywak (Bijou), John Leonetti (Helicopter Pilot) sowie Richard B. Morris, Jeran Pascascio u.a.
2006 taten sich die verdienstvolle Produzentin Gale Anne Hurd (TERIMANTOR 1 – 3; ALIENS; THE WALKING DEAD) und ihr Ehemeann, der Regisseur und Drehbuchautor Jonathan Hensleigh (THE PUNISHER; ARMAGEDDON), zusammen, um ihre Variante von Ruggero Deodatos berühmt-berüchtigten Kannibalenschocker CANNIBAL HOLOCAUST zu drehen. Ohne die detaillierten Splatterszenen und realen Tier-Tötungsszenen kommt ihr filmischer Dschungeltrip vergleichsweise zahm daher – und überhaupt: der Low-Budget-Charakter überrascht bei der Vergangenheit der beiden Filmemacher schon.
Aufgezogen im BLAIR WITCH-Stil ist auch hier das gefundene Filmmaterial von vier vermissten jungen Menschen das Einzige, was Auskunft über deren Schicksal geben kann. Da waren also zwei idealistische Abenteuer-Pärchen, die in den Urwäldern von Papua-Neuguinea zu einer verhängnisvollen Expedition aufbrachen: sie wollten den seit über 40 Jahren verschollenen Millionär Michael Rockefeller, damals einer der reichsten Männer auf Erden, aufspüren und fanden doch nur den Tod. Was von ihnen übrig blieb, ist das hier vorliegende Filmmaterial, womit dann doch wieder Erinnerungen an CANNIBAL HOLOCAUST wach werden, denn hier wie dort wird die Videokamera Zeuge grauenhafter Ereignisse. Nicht umsonst brüstet sich Ruggero Deodato damit, daß er bereits 1980 die Idee vom BLAIR WITCH PROJECT vorwegnahm.
WELCOME TO THE JUNGLE ist tatsächlich aufgezogen wie das BLAIR WITCH PROJECT, nur nicht so intensiv-verstörend und ohne Hexe, dafür mit Kannibalen – beliebig austauschbarer Horrorstoff also. Wer die wackligen Videokamera-Bilder dort gewöhnungsbedürftig fand, dürfte wohl auch hier seine Probleme haben, obwohl die Idee, eine Filmkamera bzw. Videoequipment zum Erzähler zu machen, vor dem ganzen PARANORMAL ACTIVITY-Hype noch nicht ganz sooo abgenudelt war.
Im nachhinein scheint nicht so recht klar zu sein, was Hensleigh mit seinem Low-Budget-Experiment bezwecken wollte. Der Großteil der Geschehnisse sieht nach reiner Improvisation aus, zumindest scheint Hensleighs Drehbuch-Credit nur für imdb zu existieren. Wirklich durchdacht ist dieser CANNIBALS – WELCOME TO THE JUNGLE nicht, zumal das erste Filmdrittel sich leider zu sehr mit dem Balzverhalten seiner charakterlosen Charaktere beschäftigt. Gähn.
Doch je weiter die sich in den Urwald von Papua-Neuguinea begeben, desto unheilvoller wird der Film. Phasenweise kommt sogar Spannung auf, in erster Linie deshalb, weil sowohl Figuren als auch Zuschauer im unklaren sind, was sie denn nun wirklich im Dschungel erwartet. Der dokumentarischere Charakter verspricht eine authentische und realistische Atmosphäre, doch vielen wird der Film nix bringen, denn wenn man es so will, besteht er nur aus Dschungelimpressionen, die mit der Digitalkamera gedreht wurden. Im großen und ganzen bleibt dieser Film schichtweg banal und das ist irgendwie schade und enttäuschend. Auf einen Score verzichtete Hensleigh ebenfalls, stattdessen liefern die Geräuschkulisse des Urwaldes und deren Buschtrommler hier den Soundtrack. Zumindest in diesem Punkt blieb er konsequent.
Auf dem (Irr-) Weg in den Dschungel zeigen unsere vier Abenteurer ihr wahres Gesicht und da zeigt sich der Mensch nicht gerade von seiner besten Seite. Auch das hat CANNIBALS – WELCOME TO THE JUNGLE mit Deodatos wütendem Exploitation-Exzess gemein. Hensleighs Variante ist wie die Light-Version davon und mischt mehr oder weniger überzeugend Fakten (die Legende des 1961 verschollenen Millionärs Michael Rockefeller) mit Fiktion.
Wer in Anbetracht des Filmtitel und des reißerischen Covers diverse ausufernde Splattereffekte erwartete, dürfte auch dumm aus der Wäsche gucken. Die Kannibalen selbst tauchen erst im letzten Filmdrittel auf und bis auf eine Pfählung, mit der Hensleigh dem Deoadato-Klassiker Tribut zollt, und diversen Körperteilen, die hier und da im Dschnugel verstreut wurden, bleibt der Gewaltpegel im niedrigen Bereich. Ausufernde Splatter-Exzesse sind auch nicht nötig, da man mit den Mittel der Suggestion bekanntlich ganz viel erreichen kann. BLAIR WITCH PROJECT hat es 1998 vorgemacht. Von dieser Klasse ist CANNIBALS – WELCOME TO THE JUNGLE meilenweit entfernt.