Regie: Peter Sasdy / Musik: Harry Robertson / Kamera: Ken Talbot / Schnitt: Henry Richardson / Prod.: Alexander Paal / Buch: Jeremy Paul / Story: Alexander Paal, Peter Sasdy, Gabriel Ronap
Darsteller: Ingrid Pitt (Countess Elisabteh Nadasdy), Nigel Green (Captain Dobi), Sandor Elès (Imre Toth), Maurice Denham (Master Fabio), Lesley-Anne Down (Ilona), Patience Collier (Julie), Peter Jeffrey (Captain Balogh), Leon Lissek (Sergeant), Jessie Evans (Rosa), Andrea Lawrence (Ziza), Susan Broderick (Teri), Ian Trigger (Clown) sowie Nike Arrighi, Peter May, John Moore, Joan Haythorne, Marianne Stone u.a.
Ungarn, 17. Jahrhundert: Die alte, verbitterte Gräfin Elisabeth Nadasdy (Ingrid Pitt) entdeckt nach dem Tod ihres Gatten durch das Missgeschick eines ihrer Dienstmädchen, dass ihr das Blut jugendlichen Glanz und strahlende Schönheit wieder zurückgibt. Die Dienerin muss für den Jugendwahn der Gräfin, die sich nun als ihre eigene Tochter ausgibt, mit dem Leben bezahlen. Mit neuem Selbstbewusstsein ausgestattet, bezirzt Elizabeth den zur Testamenteröffnung heran gereisten Imre Toth (Sandor Elès, FRANKENSTEINS UNGEHEUER), einem Freund der Familie, der ihr natürlich blindlings verfällt. Tja, wo die Liebe eben hinfällt – und wenn es auf den Misthaufen ist. Captain Dobi (Nigel Green), der mit im Schloss wohnt, beobachtet argwöhnisch die Turtelei, doch da er sich inzwischen genauso von der Gräfin um den Finger wickeln hat lassen, unterstützt er sie bei all ihren Plänen. So ließ er ihre echte Tochter (die damals 16jährige Lesley-Anne Down) entführen und in ein geheimes Versteck bringen lassen, damit der Schwindel nicht auffliegt. Zudem muss er die Gräfin mit immer neuem Jungfrauenblut versorgen, denn die Verjüngerungskur ist nicht von Dauer: von einem Moment auf den nächsten verwandelt sie sich wieder zurück, nur das sie mit jedem Male noch älter und hässlicher aussieht als zuvor. Da in der näheren Umgebung die Jungfrauen allmählich zur Neige gehen, beschließt die werte Gräfin, dass nun ihre eigene Tochter als Opfer herhalten muss…
Der Film beruft sich auf einen authentischen Fall, denn die als „Blutgräfin“ bekannt gewordene Elisabeth Nadasdy, geborene Báthory, hat es tatsächlich gegeben: In der Zeit zwischen ihrer Geburt 1560 und ihrer Hinrichtung 1614 wurde sie auf ihrem Schloss, wo sie nach dem Tod ihres Mannes ihre sadistischen Phantasien voll auslebte, für zahlreiche Morde und Quälereien an jungen Dienerinnen und Mädchen verantwortlich gemacht, wofür sie denn auch, nebst der Hexerei, schließlich angeklagt und eingekerkert wurde. Im Lauf der Zeit entstanden gerade in der Literatur diverse Legenden, wonach die Gräfin im Blut von Jungfrauen gebadet haben soll, um sich selbst jung zu halten.
Die brutalen Untaten, die der Gräfin Báthory angedichtet wurden, ließen sich in Hammers Aufarbeitung der Geschehnisse natürlich nicht detailliert darstellen, schon allein da man sich vor der Zensur, mit der man ja schon genug aneckte, fürchtete. Hierbei ist der Originaltitel (COUNTESS DRACULA) ziemlich irreführend, obwohl es ja stimmt, dass die Gräfin Elisabeth den Mädchen das Blut abzapft. Leider sieht man die Unentschlossenheit von COMTESSE DES GRAUENS (der deutsche Titel wird dem Film ebenfalls nicht gerecht) auch an, da die Macher unterschiedliche Auffassungen über die Ausrichtung des Stoffes hatten: Produzent Alexander Paal wollte lieber einen handfesten Horrorstreifen, Regisseur Sasdy dagegen hatte eher ein historisches Abenteuerdrama im Sinn. Das nennt man kreative Differenzen. Speziell zu der Szene, in welcher der junge Imre Toth von Captain Dobi in jenes Zimmer gestoßen wird, in der die Gräfin sich gerade mit einem in Jungfrauenblut eingetunkten Schwamm einreibt, bemerkte Hauptdarstellerin Ingrid Pitt: „Es erforderte meine ganze Überzeugungskraft diese Szene halbwegs glaubwürdig hinzubekommen. Ich glaube nicht, dass sie gut funktioniert, weil jeder sehen kann, dass der verdammte Schwamm trocken war und nirgendwo Blut ist. Das ganze Blut (…) hätte in einem Eimer sein müssen und der Schwamm hätte blutdurchtränkt sein müssen. Sie hätte es genießen müssen, das Blut auf sich zu reiben, weil sie das Blut so dringend braucht. (…) Und dieser Trottel [Regisseur Peter Sasdy] gab mir diesen riesigen Schwamm mit einem einzigen Tropfen Blut drauf.“
Was bleibt, ist eine eher durchwachsene, halbgare Angelegenheit, die sich zwar in durchaus netten, stilvollen Dekorationen und Kostümen schwelgt, aber atmosphärisch und spannungsmäßig um einiges zurück bleibt, was man sonst aus dem Hause Hammer kennt. COMTESSE DES GRAUENS ist ganz nett, aber man sieht der Produktion an, dass sie nicht so recht weiß, was sie eigentlich will. Sicherlich muss man sich nicht krampfhaft auf grausame Details versteifen, dennoch hat Peter Sasdy einfach zu wenig aus dem Stoff gemacht; seine Regie wirkt irgendwie unbeteiligt. In anderen Händen wäre ganz sicher etwas Gehaltvolleres herausgekommen. Als Horrorfilm kann COMTESSE DES GRAUENS genauso wenig überzeugen wie der überproportionierte Schnauzer von Sandor Elès, der als jugendlicher Held blass und unbeholfen durch das Geschehen irrt. Herausgekommen ist viel mehr ein Burg- und Kostümdrama über Eifersucht, Liebe und Triebe, garniert mit etwas Hexenzauber, Mittelalter-Seifenoper und einem leicht märchenhaften Charakter. Insgesamt läuft hier alles etwas zu gemächlich ab, die brutalste Szene ist noch die, in der ein Bauer am Anfang unter die Räder einer Kutsche gerät und dabei getötet wird. Am besten kommt Hammers Femme fatale Ingrid Pitt herüber: sie überzeugt in ihrer Doppelrolle á la Dr. Jekyll/Mr. Hyde als attraktive, sinnliche Schönheit und alternde, verbitterte Gräfin, die sich begierig nach Jugendlichkeit sehnt, was in einen unkontrollierbaren Wahn ausartet. Schönheit kommt von innen, Hässlichkeit aber auch.
- Die DVD con e-m-s und Anolis Entertainment, die im März 2005 in den Handel kam, ist mittlerweile vergriffen. Hier bildete COMTESSE DES GRAUENS den Auftakt zur kurzlebigen Reihe „British Horror Classics“.
- Die gebürtige Ingrid Pitt war im selben Jahr auch in GRUFT DER VAMPIRE, dem Auftakt zur Karnstein-Trilogie, und (für das Konkurrenzunternehmen Amicus) im Episoden-Grusel TOTENTANZ DER VAMPIRE zu sehen. An ihrer Seite überzeugt vor allem Nigel Green, der in Hammers DAS SCHWERT DES ROBIN HOOD als Little John auftrat, als verschmähter Geliebter und Fiesling. Ein Jahr später nahm er sich das Leben. Des Weiteren weiß Maurice Denham als zunächst kauziger, dann misstrauischer Gelehrter mit Rauschebart und Denkerbrille zu gefallen. Neben DER FLUCH DES DÄMONEN (1957) von Jaques Tourneur agierte er mehrfach unter der Regie von Freddie Francis, etwa in Hammer’s Psychothrillern PARANOIAC (1963) und HAYSETRIA (1965) sowie den Amicus-Episodenfilm DER FOLTERGARTEN DES DR. DIABOLO (1967).
- Peter Sasdy inszenierte für Hammer auch WIE SCHMECKT DA SBLUT VON DRACULA? (1970) und die Jack T. Ripper-Variation HÄNDE VOLLER BLUT (1971). Bekannt geworden dürfte er auch durch den Monster- und Mutanten-Horror DOOMWATCH (1972), vielleicht sein bester Film.
- 2009 nahm sich die französisch-deutsche Produktion THE COUNTESS den damaligen Ereignissen an: Julie Delpy, die auch Regie führte und das Drehbuch schrieb, ist als die Blutgräfin zu sehen; an ihrer Seite agieren Daniel Brühl, Nikolai Kinski und William Hurt. Neben Rumänien, Brandenburg und Thüringen entstehen einige Teile des Films praktisch bei mir um die Ecke: auf der Albrechtsburg in Meißen.
- „Die durch die Handlung bedingten Greueltaten sind erstaunlich dezent und unspektakulär umgesetzt. (…) Die darstellerischen Leistungen sind wie bei den meisten Hammer-Produktionen routiniert und solide.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Über weite Strecken äußerst langatmige und monotone Hammer-Inszenierung, die lediglich atmosphärisch und mit den stilvollen Dekorationen punkten kann.“ (Harry Lieber, HÖLLE AUF ERDEN)
5/10