CONQUEST
I / E / MEX 1983 / O: "Conquest" / AT: "La Conquista della Tierra Perdida"
Regie: Lucio Fulci / Musik: Claudio Simonetti / Kamera: Alejandro Alonso García / Schnitt: Emilio Rodriguez Oses / Prod. + Stoty: Giovanni Di Clemente / Buch: Gino Capone, Jóse A. De La Loma Sr., Carlos Vasallo
George Rivero [= Jorge Rivero] (Mace), Andrea Occhipinti (Ilias), Sabrina Siani [als Sabrina Sellers] (Ocron), Conrado San Martin (Zora), José Gras Palau (Fado) sowie Violeta Cela, Gioia Scola [als Maria Scola] u.a.
„Ich habe in seinen toten Augen seinen lebenden Geist gesehen.“
Ja immer nur Zombiefilme drehen zu müssen wäre auf die Dauer auch langweilig gewesen, dachte sich so Italiens Splatter-Maestro Lucio Fulci und freute sich, das ihm die Amis mit AM ANFANG WAR DAS FEUER (1981, Jean-Jacques Annaud) und CONAN, DER BARBAR (1982, John Milius) als Inspirationsquelle Abhilfe verschafften. Die Italiener waren ja gerade zu dieser Zeit unnachahmliche Meister im filmischen Abkupfern.
So wie eben DAWN OF THE DEAD Auslöser für allerlei Italo-Zombie-Splatter war (bei dem ja Fulci mit WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES; EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL und DIE GEISTERSTADT DER ZOMBIES besonders federführend war) und John Carpenters DIE KLAPPERSCHLANGE nebst MAD MAX noch weit bis in die lustigen 80er hinein diverse brachiale Endzeitschinken nach sich zogen, hatte insbesondere das oben genannte, frühe Schwarzenegger-Spektakel eine ganze Reihe an Barbarenfilmen zur Folge. Und egal ob nun Untoten-Dollerei, Endzeit-Keilerei oder Vorzeit-Barbarei: die schnell und billig herunter gekurbelten Auswüchse des italienischen Exploitationkinos bereiten bis heute den Trash-Fans dieser Welt eine Menge Vergnügen.
Lucio Fulcis in seinem Karrierespätherbst entstandener Steinzeit-Klopper CONQUEST ist da nur ein Beitrag von vielen und stellte ein letztes Aufbäumen in seinem Schaffen war, bevor es dann nur noch bergab ging. Genau genommen läuteten filmische Schnellschüsse und -ergüsse wie DIE SCHLACHT DER CENTURIONS (1984) und dem hier besprochenem CONQUEST, der bei uns damals direkt (gekürzt) auf Video veröffentlicht wurde, den künstlerischen Abstieg in Fulci’s Karriere ein: alles, was ab diesem Zeitpunkt kam, war im besten Falle mittelmäßig, wobei langatmig-belangloses Geplänkel wie MURDER ROCK (1984) oder DEMONIA (1987) sich als wahrer Bodensatz des Genres erwiesen und ZOMBI 3 (1989), den Fulci krankheitsbedingt nicht fertig stellen konnte, ein mehr als glückloser Versuch war, an alte Erfolge anzuknüpfen. Sei’s drum.
CONQUEST führt uns zurück in graue Vorzeiten – kein Grund also schwarz zu sehen. Ilias, der schmucke, aber noch ein bisschen naive Sohn vom Stammeshäuptling, wird von seinem Daddy mit einem magischen, blaue Leuchtpfeile abfeuernden Bogen auf die Reise geschickt. Der Selbstfindungs-Initiationsritus führt ihn in eine gar düstere Welt, wo die tyrannische, grausame Wolfsgöttin Ocron das Zepter in der Hand hält. Und die hat einen ziemlich an der Klatsche: da hängt sie nacksch mit der Goldmaske vor der Visage in der Höhle des Grauens rum, lässt plündern und meucheln und hat das Kommando über eine Horde zauseliger Werwolf-Wookies, die hinter Ecken und Hecken lauern und bevorzugt Jungfrauen kidnappen.
Gegen Ocrons Sadismus und der von ihr befehligten Monster-Bande ist Ilias erstmal machtlos, aber welch ein Glück das da so eine frohe Kämpfernatur namens Mace angestapft kommt:
„Meine Feinde nennen mich Mace.“ „Und deine Freunde?“ „Ich habe keine Freunde.“Zusammen schicken sie sich an, um die olle Hexe Ocron zu besiegen – was angesichts der ihr umgebenen Monster-Brigade und allerlei Gefahren und Fallen auf dem Weg zu ihrer Höhle kein leichtes Unterfangen ist…
Ein Sword & Sorcery-Fantasystreifen von Lucio Fulci – warum nicht. Das er eben nicht nur auf seine berühmt-berüchtigten, bereits erwähnten Zombie- und Splatterfilme zu reduzieren ist, bewies er vor allem in den 60ern und 70ern, wo er ja praktisch in jedem Genre zuhause war und vom Western über die Komödie bis hin zu Thriller und Giallo seinen Beitrag leistete.
Leider ist CONQUEST von einer gewissen Monotonie befallen, was vor allem an Fulcis schleppender Inszenierung liegt, gleich wohl gelingt es ihm im Dunstkreis zwischen Traum und Wirklichkeit einen doch irgendwie einzulullen. Sicher wird dieser brachiale Haudrauf-Schinken nur Freunde des schlechten Geschmacks in Entzückung versetzten – dafür aber um so richtig.
CONQUEST ist nebulöser Barbaren-Splatter in diffuser Weichzeichneroptik, welche bislang David Hamilton für seine braven Softsexfilmchen vorbehalten war und in Kombination mit der auf Hochtouren laufenden Nebelmaschine für eine nicht immer klare Sicht der Dinge sorgt. Das mag Berechnung sein, denn so bleiben die billigen Spezialeffekte, die dürftige Ausstattung und mehr als bescheidenen Leistungen der Akteure im Nebeldunst verborgen.
Hinter dem Nebel des Grauens kommen jedoch zahlreiche irrsinnige Ideen und Momente zum Vorschein, die CONQUEST zu einem äußerst trashigen Vergnügen machen und für allerlei Lacher sorgen: da sucht die ganze Zeit nur mit Lendenschurz und Goldmaske „bekleidete“ Höhlenhexe Ocron, die erst im großen Finale ihr wahres Antlitz enthüllt, Unterstützung bei einem Blechkameraden namens Zora, da wird der im Meer versenkte, ans Kreuz gefesselte Mace von ein paar glucksenden Delphinen vom Holz geknabbert, es wird sich mit Asche eingerieben, man beschießt sich gegenseitig mit schlecht getricksten blauen Laserpfeilen und noch schlechter getricksten schwarzen Zeichentrickpfeilen, während zwischen all dem Unfug einem Dialog-Schenkelklopfer wie diese um die Ohren fliegen:
“Das ist Elsa.“ “Ist sie deine Frau?“ “Sie ist es jedes Mal, wenn ich diesen Ort besuche. Du kannst sie auch haben, wenn du möchtest.“ „Nein, das möchte ich nicht.“ “Gut, dann nimm ihre Schwester.“Trotz des für ihn eher untypischen Genres ist Fulcis Handschrift in vielen Szenen unübersehbar: neben den für ihn typischen Zooms gibt es die aus seinen Zombie- und Splatterschockern bekannten Ekeleffekte zu bestaunen, wenn auch meist in technisch schwacher Ausführung: da werden Köpfe abgesäbelt, Frauen zweigeteilt, Hirnmasse (die im Entstehungsprozess des Films sonst außen vor blieb) wird bloßgelegt und breit gespritzt, dazu gibts triefende Eiterbeulen und blutende Platzwunden. Lecker.
Eine Dramaturgie ist in diesem aus verschiedenen Genre-Versatzstücken zusammen geklaubtem Kuddelmuddel nicht wirklich ersichtlich (und von Anfang an auch nicht als notwendig erachtet worden), vielmehr besteht der Film wie in einer Nummernrevue aus lose aneinander gereihten Kampfszenen und diversen mehr oder weniger gefahrvollen Situationen, in denen dann Ocrons Wolfsmensch-Horde, schlürfende Wasserzombies, obskure, grünäugige Fels-Kreaturen und aufgescheuchte Gummi-Fledermäuse ihre Auftritte absolvieren. Nimmt man noch die diversen Schlangen, (künstlichen) Vögel und bereits erwähnten Delphine dazu, könnte man zu dem Entschluss kommen, das CONQUEST ein Tierfilm ist – allerdings der barbarischen Art.
- Am 16. Mai 2012 veröffentlichte ’84 Entertainment CONQUEST als „30th Anniversary Coll. Edition“ im schicken, in Leder gebundenem Mediabook auf 2 DVD’s. Kernstück der Extras ist der unterhaltsam-informative Audiokommentar von Marcus Stiglegger und Ivo Retzer, die zu der Erkenntnis gelangen, dass Ilias und Mace eine homoerotische Beziehung führen. Weitere Extras sind diverse internationale Trailer, 2 Artwork Galerien, Filmografien und ein Essay zum Film auf Texttafeln. Letztere kann man im Mediabook selbst noch mal nachblättern. Die zweite DVD beinhaltet die Grindhouse-version des Films. Tolle Zugabe: eine CD mit dem kompletten Soundtrack von Claudio Simonetti. Ein beidseitig bedrucktes Postermitiv in A4 rundet das Paket ab.