DIE DREI GESICHTER DER FURCHT
Italien/Frankreich 1963 / O: „I Tre Volti Della Paura“ / AT: „Black Christmas“; „Black Sabbath“; „Der Ring der Verdammten”; „The Three Faces of Fear“; „The Three Faces of Terror“; „Les Trois Visages de la Peur“ / Prod.: Emmepi; Galatea; Lyre / Länge: 88 Min. / FSK: ab 16
Regie: Mario Bava / Musik: Roberto Nicolosi / Kamera: Ubaldo Terzano, Mario Bava [ungenannt] / Schnitt: Mario Serandrei / Buch: Marcello Fondato, Alberto Bevilacqua, Mario Bava nach Motiven von Alexej K. Tolstoi, Anton Tschechow und Guy De Maupassant
„Das Telefon“: Michelle Mercier (Rosy), Lydia Alfonsi (Mary), Gustavo De Nardo (Frank; DF: Max) /„Wurdelak“: Boris Karloff (Gorca), Mark Damon (Vladimir), Susy Andersen (Sdenka), Clauco Onorato (Giorgio) sowie Rika Dialina, Massimo Righi /„Der Wassertropfen“: Jaqueline Perrieux (Helen), Milli Monti (Dienstmädchen) sowie H. M. Medin, Gustavo De Nardo
„Drei Frauen, aufgewachsen in drei verschiedenen Jahrzehnten, drei Geschichten aus der Welt des Unheimlichen zeigen uns – DIE DREI GESICHTER DER FURCHT.“ (Verleih)
„Ich könnte sie warnen, aber ich weiß, daß sie doch nicht auf mich hören. Vielleicht sind diese drei Beispiele wirksamer als Worte…“
Boris Karloff warnt mit seinen einleitenden Worten und er weiß, wovon er spricht. In Anlehnung an Kurzgeschichten von Tolstoi, Tschechow und Maupassant inszenierte Mario Bava, Italiens legendäres Genre-Genie, drei inhaltlich völlig verschiedene Kurzfilme, die doch einiges gemeinsam haben: sie alle leben von der visuellen Kraft ihres Regisseurs, der zu dieser Zeit und in diesem Genre den Umgang mit Farben und Formen wie kein anderer verstand. Bava gelang einer besten Horror-Anthologien aller Zeiten, was aber leider nicht gewürdigt wurde. Immer wieder wurde die Reihenfolge der einzelnen Episoden vertauscht, in den USA, wo das Ganze BLACK SABBATH hieß, schnitt man die härteren Szenen heraus, vielleicht weil man seinem Publikum so viel starke Grusel-Kost nicht zumuten wollte. Das hatte ja schon mit den Elvis-Presley-Filmen zu kämpfen. Und in Deutschland fehlte lange Zeit die witzige Schlusseinstellung, in der die Kamera zurückfährt und Boris Karloff in seinem Gorca-Outfit durch die Studiokulisse reitet.
Die richtige Reihenfolge beginnt mit den schwächsten Beitrag, in dem es Bava aber trotzdem gelingt, in reichlich 20 Minuten das gesamte Schaffen einiger gegenwärtiger Horror-Regisseure in den Schatten zu stellen. „Das Telefon“ ist es, was der schönen Rosy (Michelle Mercier) in der gleichnamigen ersten Episode zu schaffen macht. Eigentlich wollte sich die junge Frau zur Bettruhe begeben, doch da ist dieses unaufhörliche Schrillen des Apparates. Ein Irrer meldet sich und droht sie, noch diese Nacht umzubringen. Tatsächlich ist es ein entflohener Psychopath, der mit Rosy noch ’ne Rechnung offen hat. Sie glaubt, daß ihr Ex-Freund sich an ihr rächen will und bittet in ihrer Not ihre ehemalige Freundin Mary um Beistand… Die Geschichte, die unter ihrer haarsträubenden Unlogik leidet, ist zu konstruiert, um irgend einen Schrecken hervorzurufen, aber Bava schafft es spielend, dieses abstruse Thriller-Puzzle bis zur gelungenen Schlusspointe spannend zu gestalten. Die Grundidee der Geschichte, der böse Einfall vom Psychopathen, der den Mord an seinem Opfer per Telefon ankündigt und es dabei auch noch beobachtet, wiederholte Wes Craven 30 Jahre später in seiner virtuosen Eröffnungssequenz zu SCREAM.
Weiter geht es mit purem klassischen Horror in „Wurdelak“. Darin verschlägt es den umher reisenden Graf Vladimir d’Urfe (Mark Damon) des Nachts zu einer Bauernfamilie, die in panischer Angst lebt. Sie erwarten die Rückkehr ihres herrischen Großvaters Gorca (Boris Karloff), der auszog um in den dunklen Wäldern Vampir-Räuber Ali Beck zur Strecke zu bringen. Gorca kehrt schließlich mit dem Kopf von Ali Beck nach Hause, doch ist er selbst zum Vampir geworden, ein Wurdelak, der als lebender Toter das Blut seiner Lieben trinkt. Wie er es prophezeit hat. Als Gorca seinen Enkel Ivan entführt und tötet, flieht Vladimir mit dessen Tochter Sdenka (Susy Andersen) in die Wälder… „Wurdelak“ ist ein gespenstisches Schauerstück, dessen Nebel verhangene Landschaft wie das Ende der Welt erscheint, während Haus und Hof der vom Schicksal gebeutelten Bauernfamilie in einem unheimlichen Blauton gehalten wurde. Und der große Karloff absolvierte hier noch einmal einen seiner besten Auftritte, bevor er in obskuren, mexikanischen Billigproduktionen verschwand. Das Motiv von der Rückkehr des toten Kindes, das „Mama, es ist so kalt…“ fleht, tauchte in unzähligen Variationen wieder auf.
Der letzte Beitrag, „Der Wassertropfen“, ist schlichtweg genial und das Sahnehäubchen dieses gelungenen Episodenfilms. Mitten in der Nacht wird Krankenschwester Helen ins Haus der gerade verstorbenen Madame Perkins gerufen, um ihr das Totenkleid überzuziehen, doch konnte sie es in ihrer Raffgier nicht lassen, der Verblichenen einen wertvollen Ring vom Finger zu stehlen. Zu Hause muß sie nicht nur mit ihrem Gewissen kämpfen, sondern auch mit einem tropfenden Wasserhahn, der sie in den Wahnsinn zu treiben droht. Ihr Heim nimmt eine immer unheimlichere Aura an, seltsame Geräusche und Vorkommnisse versetzten sie in regelrechte Panik. Und dann geht das Licht auch noch aus! Der Ring scheint dabei eine Rolle zu spielen. Die gebeutelte Helen geht dem ächzenden Geräusch nach, das aus ihrem Schlafzimmer kommt – und plötzlich, auferstanden von den Toten, steht die alte Madame Perkins vor ihr. Rache aus dem Jenseits… Terror pur in diesem kostbaren Kleinod der Horror-Unterhaltung. Für das Schloß ähnliche, herunter gekommene Anwesen der alten Madame Perkins, das nur noch von ihrer schrulligen Haushälterin und unzähligen Katzen bewohnt wird, wählte Bava eine ganz eigene Farbgebung aus, während der groteske Anblick ihrer verzerrten Todesfratze für nachhaltigen Schrecken sorgt.
DIE DREI GESICHTER DER FURCHT ist Horrorfilmkunst vom allerfeinsten. Bava setzt auf Schocks und blankes Entsetzen, doch er besitzt auch eine Detailfreudigkeit, die mehr als das bloße Gieren nach irgendwelchen Effekten zu bieten hat. Was auch auf viele seiner übrigen Arbeiten zutrifft.
8/10
- „Bavas „Lieblingsfilm“ macht Spaß (trotz gegenteiliger Auffassung der „etablierten“ Kritik), ist in einigen Schockszenen seiner Zeit sicher voraus, doch in dieser Beziehung für heutige Verhältnisse relativ harmlos.“ (Rolf Giesen & Roland M. Hahn; DAS NEUE LEXIKON DES HORRORFILMS)
- „Der für das Anthologie-Subgenre innovative DIE DREI GESICHTER DER FURCHT ist ein gelungenes Zusammenspiel aus effizienter Kameraarbeit, leuchtender Farbgebung und interessanten Details am Rande.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Effekt geht wie gewohnt vor Drehbuch und da sitzt bei Bava jeder Handgriff.“ (HÖLLE AUF ERDEN)
- „Gruselfilm mit Ansätzen zu atmosphärischer Dichte und ansehnlicher Tricktechnik.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)