THE HUMAN CENTIPEDE (FIRST SEQUENCE)
THE HUMAN CENTIPEDE (FIRST SEQUENCE)
GB / NL 2009 / O: "The Human Centipede (First Sequence)" / AT: "The Human Centipede - Der menschliche Tausendfüssler" / Prod.: Six Entertainment / Laufzeit: 88 Min. (DVD) bzw. 92 Min. (Blu-ray) / Freigabe: ---
Regie + Buch: Tom Six / Musik: Patrick Savage, Holeg Spies / Kamera: Goof De Koning / Schnitt: Nigel de Hond / Ausf. Prod.: Ilona Six / Prod.: Tom Six, Ilona Six
Dieter Laser (Dr. Josef Heiter), Ashley C. Williams (Lindsay), Ashlynn Yennie (Jenny), Akihiro Kitamura (Katsuro), Andreas Leupold (Det. Kranz), Peter Blankenstein (Det. Voller), Bernd Kostrau (Mann im Auto), Rene de Wit (Truckfahrer) u.a[/infobox]
Viel, wirklich sehr viel wurde schon über HUMAN CENTIPEDE geschrieben, diskutiert, geschimpft und geschwärmt. Das erste Mal kam ich mit Tom Six‘ Film 2010 ausgerechnet auf einer „Star Trek“-Convention in „Berührung“: dort liefen damals während einer Panel-Pause zwischen Dax und Worf diverse Trailer, die auf die kommende Film-Highlights aufmerksam machen sollten – u.a. eben auch zu HUMAN CENTIPEDE. Ein Raunen und ein Stöhnen ging durch den großen Saal angesichts dessen, was da in den 2 Minuten zu sehen war. So viel Körpernähe war auch dem hartgesottenstem Trekkie zu viel.
HUMAN CENTIPEDE gehört zu jenen Filmen, die bereits im Vorfeld für jede Menge Diskussion und Aufsehen sorgten – in diesem Fall wurde übrigens damit geworben „100%ig medizinisch akkurat“ zu sein. Was für eine vielversprechende Prämisse. Und wenn ein Filmkritiker-Zampano wie Roger Ebert eine Bewertung verweigert, dann kann das nur eine klare Empfehlung sein.
Mittlerweile dürfte im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde sein, worum es hier geht: Dr. Josef (Augenzwinkern) Heiter ist bestrebt einen menschlichen Tausendfüßler zu kreieren. Und das muss man sich so vorstellen: drei Menschen (2 dumme Uschis auf Durchreise und ein gekidnappter Japaner), die im nun kniendem Zustand aneinander genäht sind, wobei Proband A mit dem Anus am Mund von Proband B verbunden ist und Proband B auf dieselbe Weise mit Proband C. Oder um es mit den Worten von Dr. Heiter zu formulieren:
„Ich kreiere einen siamesischen Drilling – verbunden durch das gastrische System. Nahrungsaufnahme durch A, Passage durch B und Ausscheidung durch C. Ein menschlicher Tausendfüßler.“ Und diese Kreatur-Kreation sieht dann so aus:
Klar ist, das es die mittlere Person am schlimmsten trifft. Was der eine scheißt, muss der andere fressen. So ist das halt im Leben. Und da liegen fressen und scheißen ganz nah beieinander. Glücklicherweise erspart uns Tom Six etwaige Details – dies überlässt er einfach der abgründigen Phantasie des Zuschauers.
Wer also in Erwartung seiner eigenen verdorbenen Fäkal- und Anal-Fantasien mit abartigen Detailaufnahmen frohlockt hat, wird entsprechend aus der Wäsche gucken – denn genau darauf verzichtet Tom Six. Und so machten sich bei dem einen oder anderen Ernüchterung und Enttäuschung breit, weil das filmische Endergebnis so gar nicht den Erwartungen des millionenfach angeklickten youtube-Clips entsprach und der Film sich in Sachen „Ekeleffekte“ weitestgehend zurück hält. Das Explizite, das Eklige und das Widerwärtige bleibt hinter’m blutigen Verbandsmull verborgen, was HUMAN CENTIPEDE im nachhinein zu einem Paradebeispiel in Sachen Suggestion macht.
HUMAN CENTIPEDE verläuft eher in ruhigen Bahnen; ein Kopfkino-Film halt. Effekthascherei kann man Six jedenfalls nicht vorwerfen. Sein HUMAN CENTIPEDE funktioniert eher im psychologischen Sinne – ob ihm das jetzt durchweg gelungen ist, sei einmal dahin gestellt. Dramaturgische Defizite machen sich schnell bemerkbar und so reift die Erkenntnis, dass eine Idee noch lange keinen Film trägt.
Was hätte wohl ein Takashi Miike aus der Geschichte gemacht? HUMAN CENTIPEDE erinnert streckenweise an den Körperhorror asiatischer Vorbilder (AUDITION; ICHI, DER KILLER) – nur das es hier an der Umsetzung hapert. Es zeigt sich, dass eine (je nach Gemütslage) schräge, kranke, groteske, abgefahrene, perverse oder provokante Ausgangsidee sowie ein charismatischer Hauptdarsteller nicht ausreichen, wenn ein entscheidendes Kriterium fehlt: ein gutes Drehbuch.
Vor allem zu Beginn ist nicht klar zu erkennen, ob der holprige Einstieg nun vom Unvermögen von Seiten des Regisseurs herrührt oder als Genre-Parodie konzipiert wurde. Hier erfüllen zwei strunzdämliche, mies gespielte (und noch dazu grausig synchronisierte) Uschis im germanischen Hinterland auf dem Weg zur Party gleich mehrere Horror-Klischees: erst Autopanne, dann kein Handyempfang – da bietet es sich freilich an, im Regenwetter durch den dunklen Wald dem Verderben entgegen zu stöckeln anstatt einfach die Straße zurück zu marschieren. Die beiden Uschis, die eines nachts frierend und leicht durchnässt ausgerechnet bei dem guten Dr. Heiter anklopfen – sie haben verdient, was mit ihnen im weiteren Verlauf geschehen wird. Und auch da fallen sie durch ihr irrationales Verhalten auf: Klar macht es auch absolut Sinn, wenn man sich erst nach einer gefühlten Ewigkeit und vor allem dann, wenn eh schon alles zu spät ist, überhaupt mal die Mühe macht die Fesseln am Bett zu lösen.
Auch sonst hapert es hier inhaltlich etwas, denn die Interaktionen beschränken sich zumeist auf halbherzige Fluchtversuche durch Dr. Heiters labyrinthähnliches Anwesen und ungebetenen Polizeibesuch.
Dafür weiß Tom Six sein As im Ärmel umso besser einzusetzen: Dieter Laser. Dessen wahrhaft dämonischer Dr. Heiter, dieser „anal fixierte Nazi-Idiot“ , macht seinen Namen alle Ehre: Diese hagere, schlaksige Schreckensgestalt ist im weißen, perfekt zugeschnittenem Ärztekittel umso bedrohlicher. Wenn er lächelt, dann ist er noch grusliger. Seine unheimliche Aura unterstützt die beklemmende, unheilvolle Stimmung, die hier aufgebaut wird.
Dazu trägt auch die hervorragende Kameraführung bei, die hier eindringlich-abgründige Bilder einfängt und zumindest in diesem Punkt HUMAN CENTIPEDE zu einem Arthaus-Horrorfilm werden lässt – was aber schnell auf den Kopf gestellt wird, wenn die bizarre Geschichte zum Vorschein kommt. Grotesk etwa die Szene, in der Dr. Heiter erfolglos versucht, seine vor sich hin kniende Kreation zu dressieren („Bring mir die WELT!“ „Füttere sie!“).
Und trotzdem (oder gerade deshalb) blieben bei mir nach Filmende vor allem die stillen Momentaufnahmen des Grauens in Erinnerung: etwa wenn der gute Dr. Heiter mit dem Betäubungsgewehr unterm Mantel auf „Beutefang“ geht, im schicken Sonntagsanzug den Glasern bei ihrer Arbeit zuschaut (nachdem er sein Schlafzimmerfenster demoliert hat) und nach erfolgreich verlaufener OP völlig fertig auf seiner Wiese hockt und seinem „lieben 3-Hund“ nachweint – mit Blick auf dessen Grabstein.
7/10
ja alles schön
bisschen gruselig
nicht so sehr spannend
trailer war innovativer als der film