INVASION
USA 2007 / O: „The Invasion“ / Prod.: Warner Bros., Silver Pictures, Oliver Pictures Inc., Village Roadshow Pictures; Vertigo Entertainment / Laufzeit: 95 Min. / FSK: ab 12
Regie: Oliver Hirschbiegel, James McTeigue [ungenannt] / Musik: John Ottman / Kamera: Rainer Klausmann / Schnitt: Hans Funck, Joel Negron / Ausf. Prod.: Bruce Berman, Doug Davison, Susan Downey, David Gambino, Roy Lee, Steve Richards, Ronald G. Smith / Prod.: Joel Silver / Buch: Dave Kajganich / LV: Jack Finney
Nicole Kidman (Carol Bennell), Daniel Craig (Ben Driscoll), Jeremy Northam (Tucker Kaufman), Jeffrey Wright (Dr. Stephen Galeano), Veronica Cartwight (Wendy Link), Jackson Bond (Oliver), Roger Rees (Yorish), Josef Sommer (Dr. Henry Belicec), Celia Weston (Ludmilla Belicec), Susan Floyd (Pam), Stephanie Berry (Carly), Jeff Wincott (Transit Cop) sowie Alexis Raben, Eric Benjamin, Adam LeFevre, Joanna Blauvelt, Rhonda Overby, Reid Sasser, Brandon J. Price u.a.
Außerirdische Invasoren, die die Erde nicht als Aliens in gigantischen Raumschiffen heimsuchen, sondern praktisch von innen heraus unsere Welt erobern wollen: das ist der Science-fiction-Stoff schlechthin, welcher in unendlichen Kombinationen das Genre prägte.
Einen wichtigen Einfluss übte Jack Finneys 1954 veröffentlichter Roman „The Body Snatchers“ aus, in der außerirdische Sporen die Menschen unterwandern und in gefühllose Doppelgänger, frei von eigenem Willen, frei von Individualität und Emotionen, verwandeln.
Es scheint so als würde etwa im Abstand aller 15 bis 20 Jahre jede Epoche die auf den jeweiligen Zeitgeist zugeschnittene „Bodysnatchers“-Verfilmung bekommen. Dabei ist der Zeitgeist auch nur ein Schreckgespenst der Gegenwart. Zwei Jahre nach Veröffentlichung von Jack Finneys Erzählung adaptierte Don Siegel sie erstmals für die Leinwand. Herausgekommen ist ein Meisterwerk des Genres: DIE DÄMONISCHEN (INVASION OF THE BODYSNATCHERS), eine Allegorie auf die McCarthy-Ära, jene von Angst, Misstrauen und Paranoia geprägte Zeit, als in den USA eben dieser fanatische Senator Joseph McCarthy Jagd auf Kommunisten machte. Siegel, der gezwungen war, seinen Film in eine Rahmenhandlung einzukleiden, wollte seine Verfilmung nie so verstanden wissen (auch Finney distanzierte sich von dieser Aussage seiner Romanvorlage), aber im Nachhinein sind DIE DÄMONISCHEN neben DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT (1951), nicht nur was das Science-fiction-Genre betrifft, einer der prägendsten filmischen Aufarbeitungen jener Zeit und einmal mehr der Beweis dafür, dass eben dieses Genre ein Spiegel der Gegenwart ist.
22 Jahre später, im Jahre 1978, ließ Philip Kaufman sein Remake DIE KÖRPERFRESSER KOMMEN folgen, welches in einem Großstadt-Moloch spielte und dem Zuschauer diese Anonymität und das Gefühl des „Verlorenseins“ gekonnt vermittelte. Zugleich bot Kaufmans Interpretation des bekannten SF-Stoffes Anspielungen auf Verschwörungen und Sektenwahn. 1993 kam schließlich noch Abel Ferraras BODY SNATCHERS dazu, welcher eine Militärbasis als Schauplatz hatte. Als ob Militarismus nicht so schon eine Beraubung der Individualität ist, nehmen außerirdische Sporen das letzte Stückchen Menschlichkeit weg.
Oliver Hirschbiegel, dessen Filmkomödie DER UNTERGANG immerhin eine Oscar-Nominierung einheimsen konnte, mit der Folge, dass Hollywood auf den gebürtigen Hamburger aufmerksam wurde, erhielt die im nachhinein undankbare Aufgabe, die vierte Verfilmung von Finneys Erzählung in Angriff zu nehmen. Und genau diese ist auch die Schwächste von allen: substanzlos, klischeehaft, ärgerlich.
Zu Beginn steht (mal wieder) ein ausgebrochener Virus und eine Epidemie, die schnell um sich greift. Hier bringt ein unter mysteriösen Umständen abgestürztes Spaceshuttle die Gefahr aus dem Weltraum mit auf die Erde: ein Organismus, der schnell um sich greift und die Menschen infiziert. Im Mittelpunkt steht Nicole Kidman, die als taffe Psychiaterin Carol Bennell zusammen mit „James Bond“ Daniel Craig als befreundetem Doc gegen die Invasion anzukämpfen versucht. Eher planlos hasten und stürzen sie durch eine Szenerie, bei der die Szenen kaum zueinander passen. Ein Gefühl der Bedrohung, geschweige denn so etwas ähnliches wie Atmosphäre, ist hier so gut wie gar nicht vorhanden.
Sträflich vernachlässigt werden in diesem dramaturgischen Kauderwelsch die Nebenfiguren, die so achtlos verschwinden wie sie auftauchen. Da wäre zum Beispiel ein unterforderter Jeffrey Wright, der als Wissenschaftler-Kumpel von Daniel Craig die reine Stichwortgeberfunktion inne hat. Oder die großartige Veronica Cartwight: sie spielt eine verzweifelte Patientin von Kidman, die während der Therapiestunde erklärt, dass ihr Mann nicht mehr derselbe sei. Bekanntermaßen war Cartwight bereits 1978 in Kaufmans Film mit dabei. Unvergessen bleibt die grandios-pessimistische Schlusseinstellung, in der sie wahrscheinlich die letzte Nicht-Infizierte Person ist und von einem ohrenbetäubend schreiendem Donald Sutherland, von dem sie eigentlich Schutz und Hilfe erhoffte, als solche entlarvt wird. Erwischt!
Solch erhabene, eindringliche Momente finden sich hier nur in einer Szene, dem vielleicht besten Einfall des ganzen Films, wieder: zwei tapfere Menschen, die der Infizierung entgehen wollen, wählen den Freitod, indem sie von einem Hausdach springen. Beobachtet werden sie von einer regungs- und emotionslosen Menschenmenge; diejenigen unter ihnen, die bei dem Anblick des Suizids aufschreien und Gefühle zeigen, beweisen, dass ihre Infizierung noch nicht vollzogen ist.
Gerne hätte man sich mehr davon erwünscht. Nix da. Das Problem ist, dass der Film in seiner Umsetzung nicht konsequent genug ist und „Schlupflöcher“ in Form von immunen Menschen bietet, in diesem Fall Carols Sohn Oliver. Ihn muss sie aus der Obhut ihres Ex-Gatten Tucker (Jeremy Northam, MIMIC) befreien, bei dem sich Oliver in großer Gefahr befindet, schließlich war er einer der Ersten, die das Wrack des Space Shuttles nach dem Absturz untersuchten… Startschuss für eine konfuse Hetzjagd, bei der eine teils chargierende, teils hilflose Nicole Kidman erst hinter und dann mit ihrem Sohnemann hin- und herrennt. Der grinst sie zu Beginn in seinem Superman-Kostüm (der Film spielt zu Halloween) blöde an, was man ungefähr auch so deuten kann: Ach Nicole, in was hast du dich diesmal verrannt? In eine Produktion, die von Anfang an unter keinem guten Stern stand und hilflos zwischen den Genres pendelt.
Dabei trifft Hirschbiegel nicht mal die Schuld an diesem unausgegorenen Kuddelmuddel. Es war nämlich mal wieder so, das Warner Bros. nach einer Vorabsichtung des Ende 2005 abgedrehten Films auf einmal feststellte, das das fertige Endprodukt so gar nicht den Erwartungen entsprach. Tja, das kann passieren wenn das alte Europa in Hollywood tätig ist. Und so engagierte Hollywood-Diktator Joel Silver die Macher von V WIE VENDETTA: die Wachowski-Geschwister, die das Skript überarbeiteten, und Regisseur James McTeigue, der das Ganze mit allerlei Action-Zutaten aufpeppte. Egal, wie nun Hirschbiegels ursprüngliche Version aussah: diese Maßnahmen haben den Film freilich mehr geschadet als genützt. Es zeigt sich, wie verhängnisvoll es sein kann, einen klassischen, populären SF-Stoff an die reine, geistlose Action-Routine, in Form von Verfolgungsjagden mit Helikoptern, Autos und allerlei Gehetze und Gerenne, zu verschenken. Nötig hätte er es nicht.
Da wird die Kidman im U-Bahn-Schacht hin- und hergescheucht, während sich Craig, im Geheimdienst ihrer Majestät, auf der Flucht als Polizist verkleiden darf. Da ist es auch nicht mehr weit bis zum aufgesetztem, heuchlerischem Happy End, in der uns eine heile Welt incl. trauter Familien-Eintracht vorgegaukelt und untergejubelt wird: Nicole macht ihr Söhnchen fertig für die Schule und Daniel blättert am Frühstückstisch in der Zeitung, um nach neuen Stellenangeboten zu suchen. Wie reizend. Die Amis waren schon immer ganz stark darin, Illusionen aufrecht zu erhalten, wie zum Beispiel die Familienidylle am Frühstückstisch. Unglaublich, wie so gewaltiger Sci-Fi-Stoff verwässert werden kann. Siegel, Kaufman und Ferrara haben gewusst, wie man’s richtig macht. Hier bleibt am Ende nur die Frage inwieweit Hollywood im Würgegriff von außerirdischen Parasiten ist.
- „[…] ein filmischer Blindgänger. Der Film weiß nicht, was er sein will – ein Actionfilm, ein Horrorfilm, eine Science-Fiction-Allegorie oder ein Film über die Bindung zwischen einer Mutter und ihrem Sohn. Im Ergebnis ist er nichts davon..“ (James Berardinelli, Reelviews)
- „Das Bild ist zu dunkel und teilweise verschwommen […] und der Schnitt maßlos übertrieben in dem durchschaubaren Versuch, die Action voranzutreiben und das Erzähltempo anzuziehen. Aber sinnlose Jump-cuts und unzusammenhängende Vorausblenden locken niemanden hinter dem Ofen hervor.“ (Manohla Dargis, New York Times)
- „[…] ein optisch ansehnlicher aber überflüssiger, charakterloser Thriller […] gelegentliche Verbeugungen vor den Vorgängerfilmen […] erinnern nur daran, um wieviel besser diese waren.“ (Dennis Harvey, Variety)
- „[…] die Invasion ist wie eine Hirnwäsche, nach der es nur noch gleichgeschaltete, gleichdenkende Amerikaner gibt, die funktionieren und nicht aufmucken. Eine Allianz der Willigen, wie Bush sie sich schöner nicht hätte ausmalen können. […] Wenn man diesen Film gesehen hat, versteht man Amerika nur allzu gut.“ (Peter Zander, Die Welt)
- „Was als immerhin spannende und teilweise auch ironisch akzentuierte Horrorgeschichte mit vielleicht sogar tieferer Bedeutung beginnt, endet in den lärmenden Verfolgungsjagden und Zerstörungsexzessen routinehafter Event-Filme. Der Suspense der Persönlichkeitsveränderungen geht in einem Wust überraschungsloser Kolportage zugrunde.“ (Franz Everschor, film-dienst)