INVASION VOM MARS
USA 1986 / O: „Invaders from Mars“ / Prod.: The cannon Group Inc. / Laufzeit: 100 Min. (Blu-ray) bzw. 96 Min. (DVD); uncut / FSK: ab 12
Regie: Tobe Hooper / Musik: Christopher Young / Kamera: Daniel Pearl / Schnitt: Alan Jakubowicz / Prod.: Menahem Golan & Yoram Globus / Buch: Dan O’Bannon, Don Jakoby / Story: Richard Blake, basierend auf sein Drehbuch zu INVASION VOM MARS (1953) / Spezialeffekte: Stan Winston, John Dykstra
Karen Black (Linda Magnusson), Hunter Carson (David Gardner), Louise Fletcher (Mrs. McKeltch), Timothy Bottoms (George Gardner), Laraine Newman (Ellen Gardner), James Karen (General Wilson), Bud Cort (Mark Weinstein), Eric Pierpoint (Sgt. Rinaldi), Christopher Allport (Major Curtis), Donald Hotton (älterer NASA-Wissenschaftler), Kenneth Kimmins (Officer Kenney), Debra Berger (Corporal Walker), Charlie Dell (Mr. Cross), Jimmy Hunt (Polizeichef), William Bassett (NASA-Wissenschaftler), Virginya Keehne (Heather), William Frankfather (Heather’s Vater), Eric Norris (MP #2), Phil Fondacaro [ungenannt] (Drone) sowie Dale Dye, Larry Pointdexter, Chris Hebert, Mason Nupuf, Michael McGrady, Joseph Brutsman, Mark Giardino u.a.
„Die Marines schrecken bestimmt nicht vor Marsmenschen zurück!“
Mitte der 80er besiegelte Kettensägen-Legende Tobe Hooper mit der Cannon Group einen Drei-Filme-Deal, der neben dem SF-Horrorspektakel LIFEFORCE und dem Sequel TEXAS CHAINSAW MASSACRE 2 dieses effektbetonte Remake von William Cameron Menzies B-Klassiker INVASION VOM MARS (1953) mit einschloss.
Im Mittelpunkt hier steht der 10jährige David (Hunter Carson), Weltraumfan und Pennymünzensammler, der in einer Gewitternacht jäh aus dem Schlaf gerissen wird, um zu beobachten wie direkt hinter’m Haus ein UFO landet und nach und nach Eltern, Mitschüler, Lehrer, Nachbarn, einfach alle, mittels Nackenimplantat unter die Kontrolle von klumpfüßigen Marsbewohnern geraten. Natürlich glaubt ihm niemand diese Geschichte, nur Schulkrankenschwester Linda (Karen Black) kann sich David anvertrauen. Schon bald sind beide auf der Flucht vor Naturkundelehrerin Mrs. McKeltch (köstlich: Louise Fletcher), die als eine der Ersten unter die Mars-Fuchtel geriet. Mit aller Entschlossenheit nimmt David den Kampf gegen die außerirdische Gefahr auf…
…und so liegt es nun an so einem 10jährigem Hosenscheißer, Wissenschaftler und Militärs von der bevorstehenden Invasion vom Mars zu überzeugen. Und von dort kommen keine kleinen, grünen Männchen her, sondern klumpfüßige, plumpe Kartoffelköpfe auf zwei Beinen mit breitem Grinsemaul, spitzen Zähnen und winzigen Greifärmchen. Die bohren unter der Erde tiefe Tunnel, die sie effektvoll erleuchten lassen, und bringen mittels Nackenimplantat die umliegende Bevölkerung unter ihre Kontrolle. Und das alles unter der Aufsicht von einem furchterregenden Riesenhirn, das teleskopartig ausgefahren wird – offensichtlich besitzt jeder Planet, so auch der Mars, seinen Brainbug. Viel Aufwand betreiben die Marsianer um die Menschen zu unterjochen und dann wird die außerirdische Gefahr durch eine einfache Pennymünze schachmatt gesetzt wird. So geht das.
Bis dahin geschieht aber eine ganze Menge – obskure Marsianer-Auftritte, diverse Geisterbahn-Effekte und großes Militär-Aufgebot inklusive. INVASION VOM MARS anno 1986 ist wunderbare, kurzweilige SF-B-Movie-Unterhaltung voller Charme, Spaß und Spannung – und als solche immer noch eine sehenswerte Angelegenheit im Genrekino der 80er Jahre.
Als Tobe Hooper in den 50ern von der INVASION VOM MARS in den Bann gezogen wurde, war er kaum älter als der Junge David und so war es für ihn als Fan des Originalfilms eine große Ehre, dass er 30 Jahre später das Remake inszenieren durfte. Mit TEXAS CHAINSAW MASSACRE schuf er einen der einflussreichsten Horrorfilme aller Zeiten, während er 1982 mit POLTERGEIST den kommerziell erfolgreichsten Film in seiner Karriere inszenierte. Der Drei-Filme-Deal mit Cannon Films, die bis dahin als reine Vertriebsgesellschaft tätig waren und nun auch mit Produzentengeschäft mitmischen wollten, sollte Hoopers Status als Genre-Regisseur festigen, doch ähnlich wie bei John Carpenter, dem sein unverdienter THE THING-Flop zum Verhängnis wurde, geriet die Karriere Mitte der 80er erst mal ganz schön ins straucheln. Bei Hooper wäre sie fast ganz vorbei gewesen: der tolle Genre-Mix LIFEFORCE (1985), in den Cannon die damals beachtliche Summe von 25 Mio. Dollar investierte, entpuppte sich ebenso als Flop wie die Fortsetzung THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE 2, die immerhin nachträglich auf dem Heimkinosektor Gewinn machte (aber auch nur weil dieses Sequel mit kaum 5 Mio. Dollar Budget vergleichsweise billig produziert wurde).
Für INVASION VOM MARS stand Tobe Hooper ein Budget von ca. 12 Mio. Dollar zur Verfügung, was 1986 immer noch eine beträchtliche Summe für so einen Film war. Dafür würde sich heutzutage so manch angeblicher Hollywoodstar nicht mal den Wecker stellen. Doch auch dieser Film entpuppte sich wie die anderen beiden als kommerzielles Desaster, von dem sich sowohl Cannon als auch Tobe Hooper nie wieder erholen sollten. An der Qualität der drei Filme kann es, trotz oder gerade wegen des manchmal „trashigen Charakters“, nicht gelegen haben. Das Wesen des Publikums ist halt unergründlich.
Der Aufwand, der bei INVASION VOM MARS betrieben wurde, sieht man dem Film mit seinen sehenswerten Effekten auch heute noch an, was kein Wunder ist, bei dem Fachpersonal, das hier engagiert wurde.
So schuf der große (und leider viel zu früh verstorbene) Stan Winston (DAS RELIKT; DER FLUCH VON DARKNESS FALLS; LAKE PLACID; WRONG TURN) die herrlich tumben Grinsemaul-Wackelkopf-Aliens, die hier als Drohnen dienen und deren Anblick einfach zum brüllen ist, während Hollywoods Profileuchte John Dykstra (2001; STAR TREK – DER FILM) die Szenarie in ein strahlend-opulentes Trick-Inferno mit schicken Disco-Effekten verwandelt. Sehenswert ist auch das organische Raumschiff-Design: das ist fast wie bei H. R. Giger, nur eben knallbunt. Und sehr farbenfroh ist der Film sowieso.
Das Drehbuch von Dan O’Bannon (DARK STAR; ALIEN; TOTAL RECALL; LIFEFORCE; SCREAMERS; HEMOGLOBIN) und Don Jacoby (ARACHNOPHOBIA; John Carpenter’s VAMPIRE; LIFEFORCE) hält sich, mit einigen Modifizierungen versehen, exakt an das Original – eigentlich wäre hier ein neues Drehbuch gar nicht nötig gewesen, da hier, von der exzentrischen Hass-Lehrerin Mrs. McKeltch mal abgesehen, kaum neue Aspekte hinzugefügt werden. Sogar die übliche Militarismus-Propaganda wurde mit übernommen und so dominieren ab der 2. Hälfte Panzer und Maschinengewehr. Wo man anno 1953 noch auf Archivmaterial zurückgreifen musste, kommen in dieser aufwendigen Neuverfilmung etwa 200 echte Marines, Ausrüstung inklusive, zum Einsatz.
Inhaltlich gibt es wie schon erwähnt nicht viel neues. In der von Angst, Hass und Mißtrauen geprägten McCarthy-Ära der 50er Jahre hatte die Erstverfilmung mit ihrer bedrückenden Paranoia-Atmosphäre mehr als ihre Berechtigung. In diesem Remake fällt das nun alles weg; da bleiben halt „nur“ Schreckmomente und Geisterbahneffekte übrig. Neue Aspekte oder Ideen sind bei dieser Marsianer-Invasion beim Landeanflug auf Mütterchen Erde offenbar in der Atmosphäre verpufft.
Die Darsteller passen sich dem außerirdischem Treiben kongenial an und benehmen sich entsprechend, wenn so eine Invasion vom Mars auf dem Plan steht: Karen Black und Hunter Carson (im echten Leben Mutter und Sohn) spielen voller Ernst und Enthusiasmus, Timothy Bottoms und Larraine Newman nehmen als Davids Eltern nach dem Mars-Kontakt geradezu sinistre Züge an, Bud Cort (er war 1968 der Harold in HAROLD & MAUDE, 2004 heuerte er als einer der TIEFSEETAUCHER an Bord von Rotmütze Bill Murray an) wird als naiver Wissenschaftler durch eine heimtückische Marsianer-Laserwaffe in ein Häuflein Asche verwandelt und nicht zu vergessen: die großartige Louise Fletcher, hier zu sehen als das Sinnbild der unbeliebten, oberstrengen Lehrerin, mitsamt Lesebrille und erhobenem Zeigefinger. Diese Vorstellung wurde denn auch mit einer „Goldenen Himbeere“-Nominierung entsprechend gewürdigt. Mrs. McKeltch, man könnte sie glattweg für die Schwester von Schwester Ratched halten, avanciert alsbald zum Marsianer-Sprachrohr und darf in einer besonders grotesken Szene (und davon gibt es hier einige) einen Frosch verspeisen. Wohl bekomm’s. Froschschenkel ist nicht nur bei Franzosen, sondern auch bei außerirdischen Invasoren eine beliebte Delikatesse, denn auch die Besucher in V fuhren auf sie ab.
Unter dem Militär-Personal gibt James Karen (RETURN OF THE LIVING DEAD 1+2) den Zigarre paffenden Army-General, die Ränge unter ihm werden u.a. durch Eric Pierpoint (ALIEN NATION), Debra Berger (aus dem originalem INGLOURIOS BASTARDS von 1977), Tochter von William Berger, sowie Eric Norris, jüngster Sohn von Chuck Norris, vertreten. Ein Wiedersehen gibt es auch mit Jimmy Hunt, dem damaligen David-Darsteller, der inzwischen zum Polizeichef aufgestiegen ist. Als er dem vertrauten Lattenzaun hinter Davids Haus Richtung UFO-Landegrube folgt, sagt er diesen einen magischen Satz: „Hier war ich seit meiner Kindheit nicht mehr gewesen.“ Und so war dieser Film auch für mich eine Reise zurück in die Kindheit gewesen – die Filme , die man da gesehen hat prägen einen ein Leben lang.
Zu neuen Ehren kommt Hoopers INVASION VOM MARS im schicken Mediabook von Koch Media, das diese Bezeichnung diesmal völlig zurecht trägt. Das Set beinhaltet den Film, wie bei Mediabooks üblich, auf Blu-ray und DVD – erstmals in Deutschland in der ungekürzten Fassung. Das betrifft in diesem Fall die aus dem Originalfilm übernommene Schlussszene, die die Geschehnisse schließlich als Traum entlarvt. Da es für diese Szene keine deutsche Synchro gibt, bleibt sie im Original mit deutschen Untertiteln.
Zusätzlich, und das macht dieses MB so empfehlenswert, gibt es noch eine Bonus-DVD, die INVASION VOM MARS anno 1953 gleich in 2 verschiedenen Fassung parat hält, nämlich in der US-Version (75 Min.) und in der europäischen Version (80 Min.). Das nenne ich doch mal in Mediabook!
Das Bonusmaterial beinhaltet zwei kurze Specials mit Set-Impressionen und diversern Interviews (Making-of-Featurette, 15 Min.; Promo-Featurette, 8 Min.) sowie deutscher + englischer Trailer, deutscher Vorspann, alternatives Ende der dt. Fassung, Bildergalerie mit seltenem Werbematerial sowie ein 16seitiges Booklet von „Pranke“-Autor Sven Pyczak. Hier geht er u.a. auf die Entstehungsgeschichte des 53er Originals mit seinen verschiedenen Fassungen sowie das Tobe-Hooper-Remake ein.
Für das schöne Mediabook gibt es an dieser Stelle eine klare Kaufempfehlung. Wer nicht so viel Geld ausgeben möchte, greift zur einfachen Single-Blu-ray bzw. -DVD. Hier fehlen allerdings das Booklet und die beiden Fassungen des 53er Originals.
7/10
- „Der Streifen ist dem Original zwar recht gut nachempfunden, aber das will nichts besagen – denn auch das war keinen Schuß Pulver wert.“ (Ronald M. Hahn & Volker Jansen, LEXIKON DES SCIENCE-FICTION-FILMS)
- „Die Neuverfilmung ist natürlich aufwendiger in Szene gesetzt und mitunter ganz lustig anzusehen, doch das über ihr schwebende Vorbild des 50er-Jahre-Dampfkinos kann sie nicht verleugnen.“ (Rolf Giesen, TIP)
- „Hooper gelingt es wenigstens eine einigermaßen aktzeptable Spannungsdramaturgie zu erzeugen, die zudem mit einer Fülle guter Spezialeffekte adäquat abgerundet wird.“ (Harry Lieber, HÖLLE AUF ERDEN)
- „…teures, unnötiges Remake… Der einzige Versuch einer Aufwertung des Materials liegt im Bereich der Effekte, die zahlreich und spektakulär eingesetzt werden. Wie dem auch sei, die Kopf-im-Goldfischglas-Superintelligenzer vom Mars aus dem Jahre 1953 (hier nicht mehr als eine nebensächliche Requisite im Schulkeller) verbreiten mehr Unbehagen als Hoopers Hirne-mit-Gesichtern-am-Stiel.“ (ENZYKLOPÄDIE DES SCIENCE-FICTION-FILMS)
- „Eine perfekt inszenierte, mit Spezialeffekten überladene Geisterbahnfahrt.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)