USA 2010 / O: "A Nightmare on Elm Street" / Prod.: New Line Cinema; Platinum Dunes / Laufzeit: 91 Min. (DVD), 95 Min. (Blu-ray); uncut / FSK: ab 16
Regie: Samuel Bayer / Musik: Steve Jablonsky / Kamera: Jeff Cutter / Schnitt: Glen Scantlebury / Ausf. Prod.: Richard Brener, Mike Drake, Walter Hamada, Michael Lynne, Dave Neustadter, Robert Shaye / Prod.: Michael Bay, Andrew Form, Bradley Fuller / Buch: Wesley Strick, Eric Heisserer, basierend auf Charakteren kreiert von Wes Craven
Jackie Earle Haley (Freddy Krueger), Rooney Mara (Nancy Holbrock), Kyle Gallner (Quentin Smith), Katie Cassidy (Kris Fowles), Thomas Dekker (Jesse Braun), Kellan Lutz (Dean), Clancy Brown (Alan Smith), Connie Britton (Dr. Gwen Holbrock), Christian Stolte (Jesse's Vater) sowie Lia Mortensen, Kurt Naebig, Julianna Damm, Don Robert Cass, Bob Kizer, Andrew Fiscella, Scott Lindvall u.a.
Der Remake-Trend im Horror-Genre geht ungebrochen weiter. Was ja mitunter selbst den puren Horror darstellt, wenn man bedenkt, was da so alles in den vergangenen Jahren verwurstet und wieder aufbereitet wurde. Die 70er sind nun fast abgehakt, nun nähert man sich den 80er Jahren. Die Filme, die inzwischen geupdatet werden, werden immer jünger und wenn das so weiter geht, ist es nur eine Frage der Zeit bis die Remakes der Remakes folgen.
Das brachte in der Vergangenheit ein Wiedersehen mit den Horror- und Slasher-Ikonen mit sich: Michael Myers wurde 2007 von Rob Zombie auf die Leinwand zurück gebracht (HALLOWEEN, gefolgt von HALLOWEEN II, 2009), während Platinum Dunes, die auf Horrortrends spezialisierte Produktionsfirma von Krawallregisseur Michael Bay, 2003 Metzgermeister Leatherface unter der Regie von Landsmann Marcus Nispel reaktivierte. Der Erfolg dieser Wiedergeburt gab ja überhaupt erst den Startschuss zu diesem ganzen Remake-Boom[1].
Platinum Dunes war es auch, die mit FREITAG, DER 13. 2009 Schlitzerkollege Jason Voorhees ein Leinwand-Comeback gönnten, wiederum inszeniert von Marcus Nispel, wo sich der Geschäftemacher Michael Bay gedacht haben mag: Was einmal funktionierte, klappt auch dieses mal. Doch weit gefehlt, denn Nispel brachte dieses Mal nur eine öde Klischeeaufbereitung zu Stande[2].
Und wo schon mal Leatherface, Michael Myers und Jason in den Genuss eines Remakes kamen, da war es nur eine Frage der Zeit, bis ein lustiger Geselle zurück auf die Leinwand kehrt: Freddy Krueger. Der gab dem Begriff „Traumfänger“ bei seinem Erscheinen 1984 eine ganz neue Bedeutung. Wes Craven wurde zu dieser Geschichte Anfang der 80er durch einen Zeitungsbericht über Menschen, die im Schlaf gestorben sind, inspiriert. Kurz vor ihrem Tod sollen sie von schrecklichen Alpträumen geplagt worden sein und setzten alles daran nicht mehr einzuschlafen. Als sie es doch taten, fand man sie wenig später tot vor. Das war wiederum die Geburtsstunde des Freddy Krueger und der Startschuss zu einer der erfolgreichsten und langlebigsten Horrorfilm-Serien, die im Kino liefen. Zwischen 1985 und 1994 entstanden 6 Fortsetzungen, 2003 kam noch das Crossover FREDDY VS. JASON dazu. Achtmal verkörperte Robert Englund das kultige Pizzagesicht, dessen kreativ inszenierte Alptraumszenarios, böse Späße und fiese Sprüche zum Markenzeichen wurden. 2010 folgt nun dieser Neuanfang:
Nancy (Rooney Mara), die von Heather Langenkamp verkörperte Hauptfigur aus dem Original, zieht als Kellnerin einer Bar eher unscheinbar und zunächst im Hintergrund ihre Runden. Im Mittelpunkt stehen erst mal ihre Freunde: Dean (Kellan Lutz, THE TRIBE) hat sich mit Kris (Katie Cassidy) verabredet, um ihr von schlimmen Träumen erzählen, zwei Tische weiter hocken Jesse (Thomas Dekker, LAID TO REST), Kris‘ eifersüchtiger Ex, und der zurückhaltende Quentin (Kyle Gallner), der Sohn vom Schuldirektor (Clancy Brown), welcher sich gerne mit Nancy verabreden würde. Eine Menge Beziehungstechtelmechtel, das aber schnell in den Hintergrund gerät, zumal Freddy Krueger (Jackie Earle Haley tritt das Robert-Englund-Erbe an) gleich am Anfang den von Alpträumen geplagten Dean vor den Augen der schockierten Kris den Hals aufschlitzen lässt.
Schnell finden sie heraus, das sie alle unter ähnlichen Alpträumen leiden und in jedem von ihnen ein und dieselbe Person darin ihr Unwesen treibt: ein Mörder namens Freddy Krueger. Der krampfhafte Versuch wach zu bleiben und nicht einzuschlafen klappt nicht immer: zurück bleibt nur der Tod. Wie in einem Detektivfilm gilt es für die jungen Protagonisten sowohl die eigene schreckliche Vergangenheit, bei der alle Spuren verwischt wurden, als auch das Geheimnis des Freddy Krueger zu lüften…
So ein Geheimnis muss man jetzt nicht darum machen: auch dieses Remake ist letzten Endes vollkommen überflüssig. Im Gegensatz zu anderen Remakes der letzten Jahre (wie eben SORORITY ROW, UNBEKANNTER ANRUFER und diese elende FREITAG, DER 13.-Verarsche) kann man hier in dem Sinne nicht mal von einem schlechten Film sprechen – das Problem ist nur: das war alles schon mal da gewesen und zwar 1984 in A NIGHTMARE ON ELM STREET. Ein Remake hat letzten Endes nur im Sinne einer Neuinterpretation in Kombination mit eigenen Ideen einen Sinn. Wenn Neuverfilmungen von Klassikern einzig darauf ausgerichtet sind mit recycelten Einfällen und der Modernisierung bereits bekannter Szenen die jugendliche Zielgruppe von heute zu ködern, dann ist das einfach nicht ausreichend und absolut keine Rechtfertigung für ein solches Vorhaben. Rob Zombie hat in seinem HALLOWEEN-Remake zumindest versucht eigene Ansätze mit hinein zu bringen, in dem er z.B. Michael Myers ein Motiv, einen Grund für seine Taten gab. Hier wird aus dem Kindermörder Freddy Krueger der Kinderschänder Freddy Krueger gemacht – na toll!
Ein neuer Darsteller im bewährten Freddy-Outfit (Ringelpulli, Schlapphut, Krallenhand, verbranntes Gesicht) reicht da auch nicht aus. Jackie Earle Haley ist als neuer Freddy Krueger ein Casting-Glücksgriff, möchte man meinen, doch letzten Endes hätten sie auch jeden anderen nehmen können. Zumindest weiß Haley zu überzeugen und schafft es tatsächlich diesem Freddy Krueger eine finstere Aura zu verleihen. Als gelungen sind, zumindest vom rein darstellerischen Punkt her, seine Auftritte in den Rückblenden, wo er freilich ohne Maske agiert. Doch es ist wie es ist: für die Fans der Originalreihe wird der Name Freddy Krueger’s auf ewig mit Robert Englund verbunden sein, während es der anvisierten Popcorn-Zielgruppe herzlich egal sein dürfte, wer denn nun den neuen Freddy verkörpert. Eine Fehlbesetzung ist Haley auf alle Fälle nicht.
Was die NIGHTMARE-Reihe schon immer den auf den reinen Schlitzer-Aspekt fokussierten HALLOWEEN- und FREITAG, DER 13.-Sequels voraus hatte, waren die wirklich phantasievoll arrangierten Alptraumwelten, die mit jeder weiterer Fortsetzung immer bizarrer, surrealer und comichafter wurden. Aus dem damaligen ersten Teil hat man sich einige Rosinen heraus gepickt: Die Krallenhand, die unbemerkt in der Badewanne auftaucht, der Tod des Mädchens, das zwischen Zimmerdecke und Bett hin und her geworfen wird, die Tote, die auf dem Schulkorridor im Leichensack spazieren geht, der vermeintliche Selbstmord im Gefängnis und die Wand, die lebendig wird…
Da zeigt sich einmal mehr, wie verlässlich doch das Horrokino der vergangenen Dekaden ist, vor allem wenn die Ideen von damals gute 25 Jahre später noch einmal aufgewärmt werden. Doch auch wenn hier der Übergang zwischen Freddy Krueger’s Alptraumwelten und der realen Welt recht flüssig inszeniert wurde, so machten jene Szenen trotz der heute verbesserten tricktechnischen Möglichkeiten im Original einfach mehr Spaß. Die Schockmomente funktionieren dort immer noch, dagegen kommt hier auch die Großaufnahme der selbst durchgeschlitzten Kehle nicht an.
Immer wieder war zu lesen, dass dieser neue Freddy ernsthafter, düsterer und weitaus weniger lustig ist als der alte, womit er schon einmal Eigenständigkeit bewiesen hätte. Die Betonung liegt auf „hätte“. Ernsthaft und düster sind Bezeichnungen, die auch auf Kruegers ersten Auftritt anno 1984 zutreffen. Offenbar haben sich Fans und Kritiker von allen NIGHTMARE-Filmen beeinflussen lassen, dabei aber den Grundtenor des Craven-Originals vergessen und nur das steht hier zur Debatte. Dessen A NIGHTMARE ON ELM STREET war 1984 alles andere als komisch, dass Element des schwarzen und überdrehten Humors kam erst im Laufe der insgesamt 6 Fortsetzungen (plus dem Crossover mit Jason) hinzu.
Das Remake ist ebenfalls von jeglichem Humor befreit, was in Anbetracht von Kruegers schlimmer Vergangenheit, nämlich seinen pädophilen Neigungen, mit denen man sich hier nicht nur in den Rückblenden beschäftigt, ziemlich unangebracht gewesen wäre.
Trotzdem (oder gerade deshalb) gehen auch dem neuen Freddy ein paar derb-sarkastische Sprüche über die verbrannten Lippen, die in dieser Form auch vom Ur-Freddy hätten stammen können, z.B. wenn Kris im Klassenzimmer ihrem ganz persönlichen Alptraum entgegen schlummert und von Freddy mit einem „Du sollst während des Unterrichts nicht einschlafen“ geweckt wird oder er Nancy auf der Flucht durchs Haus in ein regelrechtes Blutbad plumpsen lässt und dies mit einem „Wie war dein feuchter Traum?“ kommentiert.
Insgesamt betrachtet erweist sich das Remake als wenig eigenständig oder gar kreativ, zumal man von den Machern auch immer wieder daran erinnert wird, dass das kultisch verehrte Original einfach um Längen besser ist.
Wie die Kollegen Rob Zombie, Nispel und Konsorten so stammt auch Filmdebütant Samuel Bayer aus der Videoclip-Branche. Offenbar gilt das heut zutage als gutes Credo: Dreh‘ ein paar Musikvideos und Werbespots, dann darfst du auch mal ein Horror-Remake machen. Er und seine beiden Autoren waren so sehr auf die modernisierte Imitation eines Horrorklassikers bedacht, dass ihnen der Mut und die Entschlossenheit zu eigenen Ideen völlig abhanden ging. So etwas war in einer Produktion aus dem Hause Michael Bay offensichtlich nicht vorgesehen. Aber es gehört mehr dazu als sich nur die besten Szenen und Ideen aus einem bereits bekannten Film heraus zu picken und neu aufzumotzen, um bei der jugendlichen Zielgruppe Eindruck zu schinden.
Das man hier den Fokus auf Freddy’s Vergangenheit legt, um seinem Charakter auf den Grund zu gehen, was in diversen Rückblenden verdeutlicht wird, ist ein netter Ansatz, der aber schnell verpufft. Das Ansinnen ist löblich, aber für eine Neuinterpretation des Stoffes reicht das hier alles nicht aus. Kein Grund, um dieses Remake zu rechtfertigen – außer um Kohle zu scheffeln.
1998 inszenierte Gus Van Sant eine exakte 1:1-Kopie von Hitchcocks PSYCHO, ein filmisches Experiment, von dem man halten kann was man will, was aber in keinem Fall dem reinen Kommerzgedanken unterlag. Zumal es auch vornherein so angekündigt war: als 1:1-Kopie. Inzwischen ist diese Methode des Filmemachens in Hollywood ein eigener Geschäftszweig. Was für ein Alptraum!
- Der 1961 geboren Jackie Earle Haley spielte schon einmal einen Pädophilen: für seine Darstellung in LTTLE CHILDREN (1006) wurde er mit Preisen überhäuft und erhielt sogar eine Oscar-Nominierung. Bekanntheit erlangte er auch als gefürchteter Rorschach in Zack Snyders Verfilmung der DC-Graphic Novelle WATCHMAN (2009). Zu seinen weiteren Filmauftritten zählen u.a. die beiden Albert-Pyun-Filme DOLLMAN (1991) und NEMESIS (1992), MANIAC COP 3 (1993), DAS SPIEL DER MACHT (2006) und SHUTTER ISLAND (2010). Seit 2010 spielt Haley auch eine der Hauptrollen in der Serie HUMAN TARGET
- Clancy Brown, hier als Schuldirektor und Vater von Quentin zu sehen, hat eine recht umfangreiche Filmografie, u.a. in HIGHLANDER (1986), MÖRDERISCHER VORSPRUNG (1988), HEXENJAGD IN L.A. (1991), FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE II (1992), DIE VERURTEILTEN (1994), STARSHIP TROOPERS (1997) und PATHFINDER (2007)
- Katie Cassidy war auch in den Remakes UNBEKANNTER ANRUFER und BLACK CHRISTMAS (beide 2006) mit dabei
- Die einzige Figur, die neben Freddy Krueger auftaucht, ist Nancy, deren Nachnamen von Thompson in Holbrock geändert wurde und etwas verschlossener ist als die Original-Nancy
- Freddy Kruegers legendärer rot-grün gestreifter Ringelpullover wurde hier übrigens von der selben Dame gestrickt wie im 84er Original von Wes Craven
- „Im Vergleich zu den Remakes von HALLOWEEN und FREITAG, DER 13. kein Totalausfall, aber auch kein Film, der in die Geschichte eingehen wird.“ (Marcus Menold, VIRUS #35)
[1] und zog in diesem Fall ein eigenes Prequel nach sich: TEXAS CHAINSAW MASSACRE: THE BEGINNING, 2006.
[2] Michael Bay’s Platinum Dunes beteiligte sich mit 2 weiteren Titeln an der Wiederaufbereitung bekannter Klassiker: AMITYVILLE HORROR – EINE WAHRE GESCHICHTE (2005) und THE HITCHER (2007)
4/10