DIE SCHRECKENSKAMMER
USA 1966 / O: "Chambers of Horrors" / Prod.: Warner Bros. Pictures / Laufzeit: 94 Min.
Regie + Prod.: Hy Averback / Musik: William Lava / Kamera: Richard Kline / Schnitt: David Wages / Buch: Stephen Kandel, Ray Russell / Story: Stephen Kandel
Cesare Danova (Anthony Draco), Patrick O'Neal (Jason Cravette), Wilfrid Hyde-White (Harold Blount), Laura Devon (Marie Champlain), Patrice Wymore (Vivian), Suzy Parker (Barbara Dixon), Philip Bourneuf (Inspektor Matthew Strudwick), Wayne Rogers (Sergeant Jim Albertson), Jeanette Nolan (Mrs. Perryman), Marie Windsor (Madame Corona), José René Muniz [als Tun Tun] (Pepe de Reyes), Vinton Hayworth (Richter Randolph), Richard O'Brien (Dr. Romulus Cobb), Inger Stratton (Gloria), Berry Kroeger (Chun Sing), Charles Seel (Dr. Hopewell), Ayllene Gibbons (Victoria), ungenannt: Tony Curtis (Mr. Julian), William Conrad (Erzähler, OF) u.a.
„Der Film, den Sie nun sehen werden, enthält Geschehnisse, die so grauenhaft sind, dass wir Sie vor ihnen warnen müssen. Wir haben vor den vier entsetzlichsten Szenen sichtbare und hörbare Warnsignale eingeblendet. Das „rot blinkende Schrecksignal“ ist das optische Warnzeichen. Das „Horn des Grauens“ ist das akustische Warnzeichen. Schließen Sie die Augen, wenn das „rote Schrecksignal“ aufflammt, wenden Sie sich ab, wenn das „Horn des Grauens“ ertönt!
Baltimore um 1900: Weil die zukünftige Angetraute von Jason Cravette (Patrick O’Neal) einen Rückzieher machen wollte, erwürgte er sie mit ihrem eigenen Haarschopf – um sie dann doch noch zu heiraten. Die Polizei kommt ihm auf die Schliche, Cravette wird verhaftet und zum Tode verurteilt.
Während des Gefangenentransports (in einem Postwaggon der Eisenbahn – inmitten von Hühnerkäfigen!) gelingt ihm die Flucht, bei der er aber seine rechte Hand einbüßt. Vom selbstbewussten Inspektor Strudwick (Philip Bourneauf) für tot erklärt, geht Jason Cravette eine zweite Karriere ein: als Ausstellungsstück im Wachsfigurenkabinett, das der Hobbydetektiv Anthony Draco (Cesare Danova) zusammen mit seinem Freund und Kollegen (Wifrid Hyde-White) gerade eröffnet hat. Doch was nur der Zuschauer weiß: der Unhold überlebte, auch wenn er sich jetzt nur mit einer Hand durchs Leben schlagen muss. Doch so ein Armstumpf ist auch was ganz praktisches. Mit der entsprechenden Prothese kann Jason Krawitter Werkzeuge daran befestigen, die ihm helfen werden, Vergeltung zu üben gegen jene, die ihn am Galgen baumeln sehen wollten. So nimmt er sich nach und nach seine Peiniger vor: den lasterhaften Richter, den dicken Arzt, den übereifrigen Sergeant (Wayne Rogers) – und Anthony Draco, der maßgeblich an seiner Verhaftung mit beteiligt war. Im Wachsfigurenkabinett kommt es zum alles entscheidendem Showdown…
Ursprünglich als Pilotfilm für eine geplante TV-Serie konzipiert, hievte Warner Bors. die Produktion dann doch ins Kino. Man wollte dem damaligen TV-Publikum so viel Grausamkeit und Schrecken einfach nicht zumuten. Und weil das alles auch für den abgehärtesten Kinobesucher zu viel werden könnte, wurden doch tatsächlich vor den vier grausamsten Szenen mit dem „Horn des Grauens“ und dem „rot blinkenden Schrecksignal“ hör- und sichtbare Warnzeichen platziert, damit man noch rechtzeitig die Möglichkeit hat, die Augen vor all dem Horror zu schließen und sich vom unfassbaren Grauen abzuwenden. Das ist aber sehr rücksichtsvoll. Man hätte sich womöglich noch in die Hosen geschissen. Das kann aber trotzdem passieren, wenn auch vor lauter Lachen als vor Schrecken.
Zumindest bei der ersten mit Tute und Tröte angekündigten Schreckszene, in der sich der Frauenversteher Jason Cravette auf der Flucht aus seiner Gefangenschaft die Hand abhackt – und zwar unter Wasser. Selbst ist der Mann. Die anderen drei mit entsprechendem Warnhinweis versehenen Schockmomente entpuppen sich dagegen als Verrecker, da sie im Dunkeln verborgen bleiben bzw. die Kamera jedes Mal wegblendet. Bei zwei anderen gar grausamen Szenen wird man dagegen nicht vorgewarnt: als zwei abgehackte Hände auf dem Silbertablett serviert werden und im finalen Kampf „Gut gegen Böse“, wo sich Cravette selbstverschuldet aufspießt.
Trotzdem: der Einsatz des „roten Schrecksignals“ und des „Horns des Grauens“ sind Gimmicks, die eines William Castle würdig sind, wodurch DIE SCHRECKENSKAMMER einen gewissen Kuriositätenwert erlangt. Auf so eine Idee zu kommen und diese dann auch noch durchzuziehen verdient schon Respekt. Man stelle sich das bei den Splatter-Exzessen der jüngeren Kinogeschichte vor, bei HOSTEL II oder SAW III etwa – da würde es gar nicht mehr aufhören mit blinken und tröten.
Dabei wäre DIE SCHRECKENSKAMMER auch ohne diesen Grusel-Gimmick, der im Grunde genommen einfach nur lächerlich ist, ausgekommen. Als Schundprodukt kann man Hy Averbacks‘ Variation der Wachsfiguren-Thematik gewiss nicht bezeichnen, profitiert die ursprüngliche TV-Produktion von einem Budget, das ungleich höher war als das so manchen Kinofilms jener Tage. Und das kommt insbesondere in der hübschen Ausstattung und der durchweg guten Kameraarbeit zum tragen.
Unter den Darstellern überzeugen insbesondere Wilfrid Hyde-White als alternder Wachsfiguren-Künstler, Philip Bourneuf als autoritärer Inspektor und vor allem Patrick O’Neal, der als nekrophil veranlagter Psycho so richtig schön aufgeht. Hauptdarsteller Cesare Danova ist als Good Guy erwartungsgemäß blass, genauso wie die Frauenrollen beliebig und austauschbar sind.
Vom dramaturgischen Aspekt her fiel das alles natürlich etwas holprig aus. Etwaige Leerlaufstellen werden anfangs noch damit überbrückt, in dem man sowohl dem Zuschauer als auch den Besuchern des Wachsfigurenkabinetts diverse Attraktionen daraus vorstellt. Später jedoch verlieren sich Regie und Buch in nichtssagendem Dialoggeplänkel, Frauenzimmer-Rivalitäten und melodramatischen Plattitüden; zudem stehen die Brautschau-Eskapaden des Helden dem Thrill und dem Horror ziemlich im Wege. Und das obwohl eine der Figuren folgerichtig bemerkt: „Solche privaten Auseinandersetzungen sind kein Stoff für eine Schreckenskammer!“ Richtig so. Ein Beispiel dafür ist die schön makabre Anfangsszene, wo Frauenversteher Jason Cravette einem zitterndem Pfaffen mit vorgehaltener Knarre zwingt, ihm und seiner nicht mehr unter den Lebenden weilenden Angetrauten den ehelichen Segen zu erteilen. Mit der Vorliebe des Antagonisten für Nekrophilie sowie seinem späterem Vorhaben, aus den Körperteilen seiner Opfer einen „Leichnam der Rache“ (das wär‘ doch auch mal ein schöner Titel für so einen Film gewesen…) zusammen zu basteln, bietet DIE SCHRECKENSKAMMER Zutaten, die sowohl dem grotesken Grand-Guignol-Theater als auch dem modernem Horrorfilm entsprechen, wenngleich natürlich mehr angedeutet als wirklich gezeigt wird.
- Die Nebenrolle des übereifrigen Seargent Albertson, dem Assistenten von Inspektor Strudwick, bringt ein Wiedersehen mit Wayne Rogers, der von 1972 bis 1975 als Captain John McIntyre dem Ensemble der Kultserie M.A.S.H. angehörte. Hinter dem Erzähler, der zu Beginn die einleitenden, vorwarnenden Worte spricht, verbirgt sich (zumindest im Original) kein geringerer als William Conrad, der in den Krimiserienklassikern CANNON (1971 – 1976) und JAKE UND McCABE – DURCH DICK UND DÜNN (1987 – 1992) maßgeblich TV-Geschichte schreiben sollte. Und wer hier Tony Curtis in seinem Cameo-Auftritt erkennt, darf sich DIE SCHRECKENSKAMMER gleich noch einmal anschauen!
- Stephen Kandel, der hier das Drehbuch schrieb, machte sich bis 1990 hinein als Autor für jede Menge damals angesagte TV-Serienhits einen Namen. Als da wären: BATMAN (1966/67), TENNISSCHLÄGER UND KANONEN (zwischen 1966 und 68), IHR AUFTRITT, AL MUNDY (1968/69), KOBRA, ÜBERNEHMEN SIE (1972/73), MANNIX (zwischen 1968 und 1973), CANNON (zw. 1972 und 76) und natürlich die Bastler- und Tüftlershow MacGYVER (zw. 1985 und 90) u.v.m. Kandel schrieb auch die Bücher für die zwei lustigen STAR TREK-Episoden „Die Frauen des Mr.Mudd“ (1966) und „Der dressierte Herrscher“ (1967).
- „Vielleicht haben sich die Zuschauer ja damals zu Tode gefürchtet, wenn das blinkende rote Licht und dieses penetrante Tuthorn vorkommen, heutzutage kann man nur noch mit den Achseln zucken oder gleich mit dem Kopf schütteln.“ (Marcus Pawelczyk, HÖLLE AUF ERDEN)
- „Weithin bewegt sich der gut fotografierte Film in einer für dieses Genre ungewohnt freundlichen Atmosphäre. Die Regie treibt nicht nur mit dem Entsetzen Spott … Gepflegte Schauergeschichte im Gewand der Jahrhundertwende.“ (FILMBEOBACHTER)