SUPER 8
USA 2011 / O: "Super 8" / Prod.: Paramount Pictures, Amblin Entertainment, Bad Robot / Laufzeit: 112 Min. (Kino) / FSK: ab 12
Regie + Buch: J. J. Abrams / Musik: Michael Giacchino / Kamera: Larry Fong / Schnitt: Maryann Brandon, Mary Jo Barker / Ausf. Prod.: Guy Riedel / Prod.: Steven Spielberg, J. J. Abrams, Bryan Burg
Joel Courtney (Joe Lamb), Elle Fanning (Alice Dainard), Riley Griffiths (Charles Kaznyk), Ryan Lee (Cary), Gabriel Basso (Martin), Zach Mills (Preston), Kyle Chandler (Jackson Lamb), Noah Emmerich (Nelec), Ron Eldard (Louis Dainard), Joel McKinnon Miller (Mr. Kaznyk), Jeesica Tuck (Mrs. Kaznyk), AJ Michalka (Jen Kaznyk), Brett Rice (Sheriff Pruitt), Richard T. Jones (Dr. Woodward), Michael Giacchino (Deputy Crawford), Thomas F. Duffy (Rooney), David Gallagher (Donny), Dan Castellaneta (Izzy), Bruce Greenwood (Cooper) sowie Glynn Turman, Ben Gavin, Jay Scully, Michael Hitchcock, James Hébert, Andrew Miller, Jacob Miller, Britt Flatmo, Jade Griffiths u.a.
„1979 hatte ein Film mehr Luft zum atmen, dieses Gefühl wollte ich wiedererwecken.“(J. J. Abrams)
Es war einmal…
Eine Zeit, in der nicht jeder Depp mittels Camcorder oder Handykamera den Rest der Welt seine eigenen sogenannten Filme (heute auch neumodisch „Clips“ genannt) um die Ohren haute. Es gab mal eine Zeit, da musste man einen eher klobigen Kasten, der sich Super-8-Kamera nannte, bemühen und u.a. dazu diente, Familienfeste und Urlaubshighlights auf bewegten Bildern festzuhalten. Oder man trommelte seine Freunde zusammen und betätigte sich in jungen Jahren mit vollem Enthusiasmus als Regisseur seines eigenen, kleinen Films. So nutzten auch aufstrebende Talente wie Steven Spielberg, George A. Romero oder John Carpenter das Super 8 genannte Schmalfilm-Filmformat, um sich in diesem Medium auszuprobieren und wenig später eine erfolgreiche Regiekarriere einzuschlagen.
Wir schreiben das Jahr 1979 und befinden uns in Lilian, einer Kleinstadt irgendwo in Ohio. Der 13jährige Joe (Joel Courtney) muss den Tod seiner Mutter verkraften, was für den schüchternen, zurückhaltenden Jungen eine schwere Belastungsprobe ist. Abwechslung und Trost bringt das gemeinsame Kurzfilmprojekt, das er zusammen mit seinen Freunden realisieren will. Einen Zombiefilm planen er und der eher pummelige Charles (Riley Griffiths) zusammen mit Martin (Gabriel Basso), Preston (Zach Mills) und Gary (Ryan Lee), die allesamt mit vollem Enthusiasmus und Ideenreichtum dabei sind. Die selbstbewusste und äußerst talentierte Hauptdarstellerin Alice (Elle Fanning) komplettiert schließlich die kleine Filmcrew und weckt in Joe das erste Mal das Gefühl des Verliebtseins.
Beim Dreh nachts auf dem kleinen Bahnhof überschlagen sich jedoch die Ereignisse, als plötzlich ein Güterzug entgleist und die Jugendlichen gerade noch so mit dem Leben davon kommen läßt. Nach dieser Katastrophe geschehen merkwürdige Dinge in Lilian: Hunde laufen weg und das Militär fährt schwere Geschütze auf, zudem verschwinden Motorblöcke, Stromkabel und Menschen auf unerklärliche Weise. Joes Vater (Kyle Chandler), der den verschollenen Sheriff vertritt, kann nur mit Mühe die Einwohner der kleinen Stadt beruhigen, denn schnell ist man sich einig, dass da nur die Russen dahinter stecken können. Doch bei der erneuten Sichtung des Filmmaterials entdecken Joe & Co. erstaunliches…
Ein schlecht gehütetes Geheimnis sorgte leider dafür, dass schon lange vor Kinostart bekannt war, dass hier ein außerirdisches Wesen (so ein Ding aus einer anderen Welt) für Trouble sorgt. Doch der clevere J. J. Abrams hat seine Vorbilder (u.a. DER WEISSE HAI und ALIEN) genau studiert und läßt den Zuschauer – ganz klassisch – mit der Identität des Monsters lange im Unklaren. Die selbe Vorgehensweise legte auch Abrams‘ Kumpel Matt Reeves 2008 in CLOVERFIELD an den Tag.
Als beide selber noch Jungs waren, etwa im gleich Alter wie die Helden von SUPER 8, war es ein gewisser Steven Spielberg, der die beiden beauftragte, seine eigenen Super-8-Kurzfilme zu restaurieren. Auch wenn die persönliche Begegnung erst viel später erfolgte, so dürfte dies ohne Zweifel ein einschneidendes Erlebnis für die damals jugendlichen Filmemacher gewesen sein. Aufmerksam wurde Spielberg übrigens durch einen Festivalbericht, bei dem der damals 15jährige Abrams („Ich habe mit 8 Jahren begonnen, Super-8-Filme zu drehen.“) für seine Kurzfilm-Horrorkomödie geehrt wurde.
Wie die oben genannten Filmemacher so hantierte auch J. J. Abrams recht früh mit der Super-8-Kamera, um sich schließlich zu einem respektierten Filmemacher weiter zu entwickeln. So schrieb er u.a. die Drehbücher zu ARMAGGEDON (1998) und JOYRIDE (2001), hob Serienhits wie LOST und FRINGE aus der Taufe und inszenierte MISSION IMPOSSIBLE III (2006) und die Reaktivierung von STAR TREK (2009). In seinem dritten Kinofilm huldigt er seinem Idol Steven Spielberg, der seit den 70ern als Regisseur und Produzent über die Genregrenzen hinweg das Kino entscheidend mitgeprägt hat.
Mit SUPER 8 läßt Abrams den Geist seiner früheren Produktionen wieder aufleben. Das Sujet verspricht schon mal jede Menge Nostalgie: Hier haben wir also die Kleinstadt in der amerikanischen Provinz, im Mittelpunkt eine Handvoll jugendlicher Protagonisten, die alle ihre Problemchen haben und mit außergewöhnlichen, phantastischen Vorfällen aus ihrem Alltagstrott gerissen werden. Auf diese Weise entstanden Filme wie DIE UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART (1977) oder E.T. – DER AUSSERIRDISCHE (1982), daneben unterstützte Spielberg vor allem in den 80ern Freunde und Kollegen und produzierte u.a. POLTERGEIST (1982, Tobe Hooper), GREMLINS (1984, Joe Dante), THE GOONIES (1985, Richard Donner) und EXPLORERS – EIN PHANTASTISCHES ABENTEUER (1985, Joe Dante).
Kurioserweise darf Spielberg seiner eigenen Hommage als Produzent beiwohnen, doch von „sich selber den Bauch pinseln“ kann hier keine Rede sein, ist doch SUPER 8 generell eine Liebeserklärung an das Kino, das Filmhandwerk und den Zeitgeist der 70er und 80er Jahre. Nicht umsonst zieren das Jugendzimmer Poster von Filmen, mit denen Abrams selbst groß geworden ist: HALLOWEEN, DAWN OF THE DEAD und STAR WARS, während die kleinen Geschwister mit einer Actionfigur des Kiemenmannes (aus Jack Arnolds DER SCHRECKEN VOM AMAZONAS, einem Klassiker des Monsterfilms aus dem Jahre 1954) herumalbern. Daneben läßt Abrams auch Erinnerungen an die Monsterfantasy GATE – DIE UNTERIRDSICHEN (1987, Tibor Takács) und vor allem die fabelhafte Stephen-King-Verfilmung STAND BY ME (1986, Rob Reiner) wach werden.
Denoch ist SUPER 8 keine reine Zitatepalette, sondern ein eigenständiges Filmerlebnis, eine Zeitreise zurück, als Filme noch nicht im schnellen Schnittgewitter versanken. „SUPER 8 sollte nie eine Hommage sein. Aber es ist sehr schwierig, einen Film über Kinder in den 70er Jahren zu drehen, ohne dass es so wirkt. Das ist sein Terrain. Außerdem sollte der Film auch autobiografisch sein. Und Stevens Filme hatten großen Einfluss auf mich“, so Abrams. Toll jedenfalls, wie hier die 70er Jahre zum Leben erweckt werden… mit riesigen Zahnspangen, ebenbürtigen Brillen, Wuschelmähnen-Frisuren, Schlaghosen und Cordjacken – einfach klasse!
Joe Dante inszenierte mit dem gelungenen THE HOLE (2009) ebenfalls eine Rückbesinnung auf die Kultfilme der 80er, ging dabei aber (sicher aufgrund des flachen Drehbuchs) bei weitem nicht so Herzen wie es in SUPER 8 geschieht. Mit viel Gefühl, naivem Charme und großen Sympathien für seine jungen Protagonisten erzählt Abrams eine warmherzige Geschichte über Familie und Freundschaft und erinnert dabei an vergangene (Kino-) Sommer, die einfach unbekümmerter, sorgloser und viel schöner waren.
Großen Anteil am Gelingen des Films haben hierbei die jugendlichen Darsteller, die zum Teil das erste Mal vor der Kamera standen und denen man es von Herzen wünscht, dass sie auch in Zukunft noch von sich hören lassen. Filmdebütant Joel Courtney, der in seiner (ersten) Hauptrolle das Repertoire an Gefühlen wie die Trauer über den Verlust der Mutter bis zum ersten Verliebtsein überzeugend auf die Leinwand bringt, weiß hier ebenso zu gefallen wie Elle Fanning (Dakotas kleine Schwester), die hier u.a. ihr Talent als Zombie-Darstellerin entfalten darf. Toll sind aber auch Riley Griffiths (ebenfalls in seinem Filmdebüt) als enthusiastischer, pummeliger Jung-Regisseur, Ryan Lee als zündelnder Zahnspangen-Pyromane, Zach Mills als vielseitiger Kurzfilm-Tausendsassa und Gabriel Basso als stocksteifer, ständig flennender Zombiefilm-Hauptdarsteller.
Das Sahnehäubchen ist dann noch der liebevoll handgemachte Zombie-Kurzfilm der Jugendlichen, welcher sich im Abspann versteckt hat. Fazit: SUPER 8 ist super!
- Ein weiteres Review incl. zweier Trailer gibt es beim Klick auf folgenden Link zu entdecken: http://filmchecker.wordpress.com/2011/08/15/filmreview-super-8-2011/
- „Dass Abrams nicht nur die Darsteller, sondern auch das Publikum zu Tränen rühren kann, macht ihn tatsächlich zu dem, was er seit seinen Super-8-Jahren sein will: zu einem würdigen Nachfolger von Steven Spielberg. “ (Rüdiger Meyer, TV SPIELFILM 16/11)
- „Über weite Strecken ist SUPER 8 eine gelungene Gegenthese zum überzüchteten Digital-Blockbuster-Kino unserer Zeit, sozusagen eine Art Anti-TRANSFORMERS. Doch zum Finale kommt dann doch noch viel Krachbumm.“ (Thomas Klein, SÄCHSISCHE ZEITUNG, 04.08.11)