TRIANGLE
GB / AUS 2009 / O: "Triangle" / Prod.: Icon Entertainment International Framestore; UK Film Council; The Pacific Film and Televison Commission; Dan Films; Pictures in Paradise / Laufzeit: 95 Min. (uncut) / FSK: ab 16
Regie + Buch: Christopher Smith / Musik: Christian Henson / Kamera: Robert Humphreys / Schnitt: Stuart Gazzard / Ausf. Prod.: Steve Norris, Mark Gooder, Stefanie Huie / Prod.: Jason Newmark, Julie Baines, Chris Brown
Melissa George (Jess), Michael Dorman (Greg), Rachel Carpani (Sally), Henry Nixon (Downey), Liam Hemsworth (Victor), Emma Lung (Heather), Joshua McIvor (Tommy), Bryan Probets (Taxifahrer), Jack Taylor (Jack)
Die ersten Eindrücke, die man von TRIANGLE gewinnen kann, sind so naheliegend wie offensichtlich: Da kommt ein zweites GHOST SHIP angeschippert.
Eine Gruppe von Yachtseglern auf hoher See, plötzlich ist es ganz windstill und dann passiert, was im Leben halt so manchmal passiert: Dunkle Wolken ziehen auf. Eine bedrohliche Gewitterfront nähert sich, eine Welle bringt das Boot zum kentern, eine Person ertrinkt. Hilflos treibt man im Meer, als plötzlich im gleißenden Sonnenlicht, wie aus dem Nichts, ein riesiger Ozeandampfer auftaucht. Beim betreten des Schiffes müssen die Überlebenden aber feststellen, dass es scheinbar verlassen ist – und dann wieder ist da jemand, der ihnen nach dem Leben trachtet…
Damit ist im Grunde genommen zusammen gefasst, was man im Trailer sehen konnte. Und da war es da, dieses GHOST SHIP – soviel zum ersten Eindruck. Doch das es oftmals gerade dieser erste Eindruck ist, der einen immer und immer wieder täuscht, beweist der Brite Christopher Smith, der es ausgezeichnet versteht, nicht nur mit dem ersten Eindruck, sondern auch und vor allem dem Ding namens „Erwartungshaltung des Publikums“ zu spielen. Und das schafft er bereits mit seinem dritten Film: TRIANGLE. Keiner der Filme, die man einzig auf ihre Trailer reduziert – oder offensichtlichen Vergleichen mit Horrorreißern wie GHOST SHIP, der im Gegensatz zu dem, was hier passiert, regelrecht banal daher kommt.
Im Mittelpunkt des Geschehens (und hier wird eine Menge geschehen!) steht eine bravouröse Melissa George (TURISTAS; 30 DAYS OF NIGHT), die im AMYTIVILLE HORROR-Remake eher blass war, aber hier unter fachkundigen Regiehänden als gestresste Mutter eines autistischen Jungen zur Höchstform aufläuft. Was hat es mit ihrem Sohn, den sie zu Beginn noch in den Armen hielt, auf sich? Warum hat sie das Gefühl schon mal an Bord dieses Ozeandampfers gewesen zu sein? Und was ist mit dem maskierten Killer, der ihre Freunde umbringt? Fragen, die nach jener Szene, in der ein Wandspiegel eine zentrale Bedeutung spielt, beantwortet werden – nur um ganze andere Fragen aufzuwerfen. Was dann kommt, ist so genial, dass man einfach nicht mehr über den Inhalt verraten will, weil man keinem den Spaß an einem der cleversten und spannendsten Genre-Filme der letzten Jahre vermiesen möchte. Mit einer detaillierten Inhaltsbeschreibung würde man sich hier ‚eh nur im Kreise drehen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Todeskreis ist das, was Melissa George in ihrer Rolle hier durchmachen muss. Aber wie das manchmal so ist: Man kreist durchs eigene Leben und dabei wird man nicht nur von einem Ich, sondern gleich von mehreren Ichs förmlich überrannt. Und dann wieder steht man sich selbst im Wege.
Hier steht jedoch nichts im Weg, denn TRIANGLE ist clever ausgetüftelte, mitreißende und äußerst spannende Genre-Unterhaltung der intelligenten Art, so betörend verwirrend und sicher einer der Filmkandidaten, die Logik-Puristen geradezu animieren dürften, nach etwaigen Ungereimtheiten zu suchen. Was umso mehr für die komplexe Handlung spricht, die sich Christopher Smith da ausgedacht hat: Das, was nicht so ist, wie es scheint, verläuft immer wieder anders als man gedacht hat – sowohl für Melissa George als auch den Zuschauer, beide werden ständig wieder auf’s neue überrascht. Hier lohnt es sich wirklich, den Film ein zweites oder drittes mal sich anzusehen, um nach Anhaltspunkten in der verwinkelten Geschichte zu suchen.
Bleibt die Frage: Warum läuft so etwas aber nicht im Kino? Warum stattdessen langweilige Slasherschmonzetten wie dieses schnarchige PROM NIGHT-Remake oder SCHÖN BIS IN DEN TOD? Das sind Filme, die man auf ihre Trailer reduzieren kann. Haste den Trailer gesehen, haste den Film gesehen. Deren Macher hätten aus der Ausgangssituation von TRIANGLE einen gewöhnlichen Dutzendslasher herunter gekurbelt, bei Christopher Smith fängt jedoch da erst der Film an.
Es ist bedauerlich, dass Kreativität und Erfindungsreichtum in der Filmlandschaft nicht mehr belohnt werden als mit einem Hinweis auf die DVD-Premiere der Woche. TRIANGLE hätte viel mehr Aufmerksamkeit und vor allem eine Kinoleinwand verdient gehabt.
Denn hinterher kann man hier wirklich sagen: Das war mal was anderes gewesen! Vielleicht sogar was Neues. Dank an engagierte Filmemacher wie Christopher Smith, die einem dieses Gefühl vermitteln.
- Sein Spielfilm-Debüt gab der 1970 in Bristol, England geborene Christopher Smith, nachdem er 1997 und ’98 zwei Kurzfilme realisierte, 2004 mit dem U-Bahn-Schocker CREEP, der hierzulande vor allem durch die Mitwirkung von Franka Potente Bekanntheit erlangte. Für ihn eine Fingerübung, die er zwei Jahre später mit der garstigen Horrorsatire SEVERANCE zur Perfektion hat reifen lassen. Nach TRIANGLE ließ er 2010 das Historiendrama BLACK DEATH (2010) das uns den Horror des von der Beulenpest geplagten, englischen Mittelalters nahe bringt.