UNBEKANNTER ANRUFER
USA 2006 / O: „When A Stranger Calls“ / Prod.: Scren Gems; Davis Entertainment / Laufzeit: 83 Min. / FSK: ab 16
Regie: Simon West / Musik: James Dooley / Kamera: Peter Menzies, Jr. / Schnitt: Jeff Betancourt / Ausf. Prod.: Paddy Cullen / Prod.: John Davis, Ken Lemberger, Wyck Godfrey / Buch: Jake Wade Wall, basierend auf dem Drehbuch von Steve Feeke und Fred Walton
Camilla Belle (Jill Jonson), Tommy Flanagan (Stranger), Katie Cassidy (Tiffany Madison), Tessa Thompson (Scarlet), Brian Geraghty (Bobby), Clark Gregg (Mr. Johnson), Derek de Lint (Dr. Mandrakis), Kate Jennings Grant (Mrs. Mandrakis), David Denman (Officer Burroughs), Steve Eastin (Detective Hines), Arthur Young (Will Mandrakis), Madeline Carroll (Allison Mandrakis), John Bobek (Officer Lewis), Lance Henriksen (OV, Voice of Stranger) sowie Brad Surosky, Karina Logue, Rosine “Ace” Hatem, Escher Holloway u.a.
„Hast Du schon nach den Kindern gesehen?“ Eine Frage, die Jill (Camille Belle) vollends in Panik versetzt. Eigentlich wurde die Schülerin als Babysitter von einer stinkreichen Arztfamilie engagiert, um auf die beiden Kinder aufzupassen, weil sich die gnädigen Herrschaften auch mal vergnügen wollen. Doch es wird kein ruhiger Abend in dieser abseits in den Bergen, an einem idyllischen See gelegenen Protzhütte. Denn zunehmend wird sie von einem unbekannten Anrufer terrorisiert, bis sie feststellen muss: Das Ende der anderen Leitung ist gar nicht so weit von ihr entfernt…
Was für Unwissende aussieht, wie die auf Spielfilm-Format getrimmte Variation der fulminanten Anfangssequenz aus SCREAM, ist nur ein weiteres überflüssiges Hochglanz-Remake eines 70er-Jahre-Slashers, in diesem Fall: WHEN A STRANGER CALLS, der bei uns DAS GRAUEN KOMMT UM 10 hieß und 1978 von Fred Walton inszeniert wurde.
SCREAM war ein Film voller Anspielungen, bei dem sich die Macher Wes Craven und Kevin Williamson eben auch von Fred Walton inspirieren ließen, aber dabei viel mehr erreichten als das schrecklich einfallslose Skript und die überstilisiert-stillose Regie von Simon West (LARA CROFT: TOMB RAIDER; CON AIR), der doch bitteschön bei seinen Actionfilmen bleiben möge. So gesehen darf er sich damit rühmen, neben AMITYVILLE HORROR und THE FOG – NEBEL DES GRAUENS (beide von 2005) eines der schlechtesten 70er-Jahre-Horrorfilm-Remakes verzapft zu haben, seit man auf die glorreiche Idee gekommen ist, 70er-Jahre-Horrorfilm-Remakes zu verzapfen. Auch eine Leistung. UNBEKANNTER ANRUFER ist einer jener Filme, die einem im Kinotrailer alles verraten und man schon da die Nase voll von ihnen hat.
Die an sich wunderbar fiese Idee dieses unbekannten Anrufers, der sich auch noch im selben Haus befindet, klappte als ebenso cleverer wie ironischer 10-Minuten-Einstiegsschocker in SCREAM eben weitaus besser als in diesem konventionellen, überraschungsfreien Neuaufguss. Was dort als Zitat und Reminiszenz ausgezeichnet funktionierte, entpuppt sich hier schnell als Rohrkrepierer und das liegt auch am Regisseur: Craven kennt sich in diesem Metier einfach besser aus als West. Das ziellose Blättern im Telefonbuch nach komischen Namen ist unterhaltsamer und spannender als dieser misslungene Psychothriller-Versuch. „Wir waren uns einig, dass unser Film mehr Psychothriller sein sollte als das Original“, so Produzent John Davis. Selten so gelacht.
Lange Leitung
Die Macher konzentrierten sich bei ihrer Adaption auf die ersten 20 Minuten des Originals, doch hatten sie ganz schöne Mühe, diese Idee zu einem abendfüllenden Spielfilm-Format aufzublasen. Mangelnde Einfälle versuchten sie mit einer aufgebretzelten Location wettzumachen: Da musste es natürlich ein sehr, sehr abgelegenes Haus sein – in diesem Fall eine extravagante Luxusvilla an einem idyllischen See mit paar Bäumchen drumherum, Hochsicherheits-Alarmanlage und integriertem Mini-Zoo mit Ziervögeln und Kois. Dazu bemühte Simon West alle möglichen Klischees und bekannte Zutaten, doch brauch‘ er jedenfalls sehr lange, um nicht in Fahrt zu kommen. Dazu nervt das dauernde Handy- und Telefon-Gebimmel im selben Maße, wie Hauptdarstellerin Camille Belle, trotz optischer Vorzüge, einen abtörnt. Mit hämischer Freude stellt man sich vor, wie dieser übliche Psycho-Fritze, der am Ende der Leitung lauert und natürlich wie ein röchelnder Asthma-Patient klingt, ihr folgende Worte ins Ohr raunt: „Miese, elende Schauspielerin!“ Camille Belle hängt nur am Hörer, der Film hängt durch und ist so überflüssig wie der unbekannte Anrufer vom Call-Center.
- Tommy Flanagan leiht dem „Stranger“ nur seine Statur und hat auch nicht viel mehr zu tun, als die doofe Camille Belle durchs Haus zu jagen. Dabei kann er eine ansehnliche Filmografie vorweisen: u.a. war er in FACE/OFF; THE GAME (beider 1997), GLADIATOR (2000), ALIEN VS. PREDATOR (2004), SIN CITY (2005) und SMOKIN’ ACES (2006) mit dabei. Sagen brauch er auch nix, denn das macht der gute, alte Lance Henriksen, der im Original dem „Stranger“ seine Stimme leiht, für ihn. Als blonder Opfer-Happen für zwischendurch muss Katie Cassidy (die noch im selben Jahr in einem weiteren 70er-Jahre-Remake zu sehen war: BLACK CHRISTMAS) herhalten. Der einzige Schauspieler, der seiner Berufsbezeichnung wirklich gerecht wird, tritt nur zu Beginn kurz in Erscheinung: es ist der ewige Dauernebendarsteller Steve Eastin (THE HIDDEN; CON AIR), dem es als altgedienten Detective die Sprache verschlägt.
- Drehbuchautor Jake Wade Wall scheint wohl gern die Ideen anderer zu verwerten: so schrieb er auch das Skript zum 2007 entstandenem Remake HITCHER. 2014 schrieb er noch das unterirdische Skript zum grottigen CABIN FEVER: PATEINT ZERO.
- „Das Grusligste an dem lahmen Horrorfilm-Remake sind die schlechten Darsteller. Der Rest ist ungefähr so spannend wie das Freizeichen.““ (Angela Zierow, 07/06)