DAS UNGEUHER VON LOCH NESS
GB / USA 1958 (s/w) / O: "Behemoth, the Sea Monster" / AT: "The Giant Behemoth" / Prod.: Eros Films; Allied Artists / Laufzeit: 77 Min. / FSK: ab 16
Regie: Eugene Lourié, Douglas Hickox / Musik: Edwin Astley / Kamera: Ken Hodges / Schnitt: Lee Doig / Prod.: Ted Lloyd, David Diamond / Buch: Eugene Lourié, David Diamond [ungenannt] / Story [ungenannt]: Robert Abel, Allen Adler / Spezialeffekte: Willis O'Brien, Pete Peterson (Stop Motion Animationen), Jack Rabin, Irving Block, Louis DeWitt (diverse Spezialeffekte), Phil Kellison [ungenannt] (Miniaturen)
Gene Evans (Steven Karnes), André Morell (Prof. James Bickford), John Turner (Ian Duncan), Leigh Madison (Jeannie McDougall), Jack MacGowran (Prof. Sampson), Maurice Kaufman (U-Boot-Offizier), Henry Vidon (Tom McDougall), Leonard Sachs (Wissenschaftler), Neal Arden [ungenannt] (Fernsehmoderator) u.a.
Radioaktivität und überdimensionale Ungeheuer – gewaltige Themen, die nachhaltig den Science-fiction- und Monsterfilm der 50er Jahre dominierten. Und so beginnt auch DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS wie so viele Produktionen aus dieser großen Ära mit der Explosion einer Atombombe – und den daraus resultierenden Auswirkungen…
Zu Beginn sehen wir den amerikanischen Wissenschaftler Steve Karnes (Gene Evans), der vor einer Gruppe von Kollegen vor den Gefahren und negativen Auswirkungen der radioaktiven Zerstörung warnt, verbunden mit der düsteren Vorahnung „das etwas ganz Unbekanntes eines Tages aus den Wellen des Meeres steigt und sich gegen die Menschen richtet…“ Die Prophezeiungen sollen sich bald erfüllen, als an der britischen Küste ein mysteriöses Fischesterben einsetzt und einige nicht weniger mysteriöse Todesfälle bekannt werden. Die Opfer weisen allesamt Strahlenverbrennungen auf. Der Grund dafür erhebt sich bald aus den Meerestiefen: ein riesiges, radioaktiv verstrahltes Ungetüm, das Kurs auf London nimmt…
Sein Regiedebüt gab der vormalige Production Designer und Art Director Eugene Lourié 1953 mit THE BEAST FROM 20.000 FATHOMS, wo Ray Harryhausen zum ersten Mal in Solo-Tätigkeit seine Stop-Motion-Tricktechnik anwendete und mit ihr einen Rhedosaurus durch New York stapfen ließ, was jede Menge Chaos und Zerstörung zur Folge hatte. Hierzulande wahlweise als PANIK IN NEW YORK bzw. DINOSAURIER IN NEW YORK bekannt geworden, avancierte Lourié’s erste Regiearbeit schnell zu einem Klassiker des Monsterfilms, der nur ein Jahr später gewisse japanische Filmemacher inspirieren sollte: GODZILLA natürlich.
Einmal Monster, immer Monster: 1958 war Eugene Lourié im Gespräch für die Regie in einer britisch-amerikanischen Co-Produktion, in der eine radioaktive, formlose Masse sich langsam ausbreiten und zur Bedrohung der Menschheit werden sollte. Eine interessante Idee, die ihrer Zeit voraus war, doch schnell wurde Lourie, der auch das Drehbuch schreiben sollte, klar gemacht, dass er sich gefälligst an seinen Kinokassenerfolg von 1953 zu halten habe. Und so war es wieder ein Dinosaurier, der diesmal in London eine Spur der Verwüstung anrichten sollte. BEHEMOTH, THE SEA MONSTER war geboren[1]. Mit ihm wurde Lourié letzten Endes genötigt, sich von seinem eigenen Film inspirieren zu lassen (O-Ton: „Ich plagiierte mich selbst.“) und ganz besonders in den Monsterauftritten mutet BEHEMOTH, THE SEA MONSTER wie eine Kopie von THE BEAST FROM 20.000 FATHOMS an: da wäre die Szene mit dem unter Wasser schwimmenden Monster, wie es wahlweise Autos mit dem Maul durch die Lüfte katapultiert oder gleich zertrampelt und Menschen unter einer einstürzenden Hauswand begraben lässt.
Hinzu kommen einige offensichtliche GODZILLA-Anleihen: hier ist es die Radioaktivität, in welcher das Monster seinen Ursprung findet und jene bekannt-markante Szene, in der Behemoth sich in einer Hochspannungsleitung verfängt und die dazu gehörigen Strommasten aus dem Weg räumt.
Ein Problem, mit dem BEHEMOTH ganz deutlich zu kämpfen hatte, ist das liebe Geld: Während THE BEAST FROM 20.000 FATHOMS viel teurer aussah, als er letztlich gekostet hat, ist das geringe Budget hier nur allzu offensichtlich. Was die Modellbauten betrifft so kamen diese aufgrund des niedrigen Budgets gar nicht erst zum Einsatz und so taucht das Monster in London hinter Fotomotiven auf, was aber dank des im Film vorherrschenden Schwarz/Weiß-Charakters nicht weiter negativ auffällt.
Doch Willis O’Brien, der in KING KONG UND DIE WEISSE FRAU (1933) Weg weisendes auf dem Gebiet der Spezialeffekte geleistet hat und für seine Arbeit an PANIK UM KING KONG (1949) mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, machte unter schwierigen Bedingungen das Beste aus der Sache. So gewinnt denn BEHEMOTH, THE SEA MONSTER Bedeutung dadurch, dass Willis O’Brien hier zum vorletzten Mal in seiner Karriere, die in den 50ern schon längst ihren Höhepunkt hinter sich hatte, einen Saurier zu Leinwandleben erweckte. In dieser Funktion war er nochmals in Irwin Allen’s VERSUNKENE WELT (1960) tätig, bevor er am 8. Nov. 1962 im Alter von 76 Jahren verstarb.
So richtig kam O’Brien auch hier nicht zum Zug, war er doch mehr für Planung und Aufsicht als die Durchführung verantwortlich. Ein Großteil seiner hier geleisteten Arbeit (etwa was die Stop-Motion-Animationen betrifft) entstand in enger Kooperation mit seinem langjährigen Partner, dem zu dieser Zeit schwerkranken Pete Peterson.
Willis O’Brien war es auch, der zusammen mit dem Effekt-Kameramann Phil Kellison einen mechanischen, mittels Drähten voll beweglichen Monsterkopf kreierte, der jedoch vor Beginn der Dreharbeiten zerstört und nicht wieder aufgebaut werden konnte. Das „gewaltige Tier, das Feuer speit und Funken sprüht“ bekommt man dieser Beschreibung nach auch nie zu sehen. Wenn Behemoth sich denn aus dem Wasser erhebt und eine Autofähre versinken lässt, taucht nur ein starrer Monsterkopf auf. Was er dort versenkt (Fähre, Autos etc.) hat denn auch nur Spielzeugcharakter. Für diese Szenen waren dann die vielerlei gefragten Jack Rabin, Irving Block und Louis DeWitt, die in etlichen B-Movies aus dieser Zeit eingesetzt wurden, verantwortlich.
Überhaupt vergeht einige Zeit, bis das Monster das erste Mal in Aktion zu erleben ist. Die ersten Angriffe (ein Fischer sowie ein Farmer mit seinem Sohn) geschehen zunächst im Off, zudem bestimmen in der ersten Hälfte hauptsächlich pseudo-wissenschaftliches Gelaber, Untersuchungen, Analysen, Forschungen etc. das Geschehen. Damit steht DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS in der nüchternen Tradition des realistischen britischen Science-fiction-Films der 50er Jahre, auch wenn man das pseudo-wissenschaftliche Geschwafel natürlich zu keiner Zeit ernst nehmen sollte.
Trotz aller Widrigkeiten kann man hier aber immer noch von einem netten, kleinen Monsterfilm sprechen, der die Freunde dieses Genres prächtig unterhalten wird. Allein schon die Mitwirkung durch Eugene Lourié und Willis O’Brien hinterlässt eine kleine Fußnote.
Der deutsche Titel DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS, den der deutsche Verleih NWDF bei seinem hiesigen Kinostart im März 1961 gab, ist natürlich der blanke Unsinn, da er mit „Nessie“ absolut gar nichts zu tun hat. DAS UNGEHEUER AUS DER THEMSE wäre in diesem Fall treffender gewesen, was aber eben nicht so doll rüberkommt.
Anolis Entertainment veröffentlichte DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS am 31.03.2010 als #7 innerhalb der „Galerie des des Grauens“. Das toll ausgestattete Doppel-DVD-Set ist mittlerweile ein gesuchtes Sammlerstück, für das man schon mal bis zu einem Hunni berappen kann. Wow! Da hatte sich Anolis aber auch mal wieder ganz viel Mühe gegeben: So kann man sich den Film gleich in 3 verschiedenen Versionen zu Gemüte führen: In der US-Fassung (76 Min.), der deutschen Fassung (72 Min.) und der britischen Fassung (68 Min.). Zudem gibt es noch 2 Audiokommentare: einmal mit Rolf Giesen und einmal mit Christian Kessler & Ingo Strecker. Es gibt noch eine ganze weitere Menge toller Extras, allen voran die Filmografie von Willis O’Brien, die sich über 30 Texttafeln erstreckt und mit diversen Trailern und Kurzfilmen garniert wurde. Einfach spitze! Einen Gesamtüberblick über diese umfangreich ausgestattete Doppel-DVD gibt es: hier.
Im Oktober 2014 veröffentlichte Anolis noch 2 streng limitierte, kleine Hartboxen, die bis auf Trailer, Super 8 Fassung und Bildergalerie leider ohne das tolle Bonusmaterial auskommen müssen:
- Zu Eugene Louriés anderen Spielfilmen zählen DER KOLOSS VON NEW YORK (1958), die Geschichte um einen Riesenroboter, sowie seine letzte Regiearbeit GORGO (1961), in dem eine GODZILLA-ähnliche Kreatur angreift
- André Morell (1909 – 1978), der hier Steve Karnes‘ Kollegen Prof. Bickford von der Atomenergiekommission verkörpert, kennt man aus zahlreichen Hammer-Produktionen, so war er als Dr. Watson in DER HUND VON BASKERVILLES (1958) und im Fantasy-Abenteuer DIE HERRSCHERIN DER WÜSTE (1965) beide Male an der Seite von Christopher Lee und Peter Cushing zu sehen. Weitere Hammer-Auftritte hatte er als Aristokrat Sir James Forbes im Zombie-Voodoo-Streifen NÄCHTE DES GRAUENS (1966) sowie in DER FLUCH DER MUMIE (1967) und THE VENGEANCE OF THE SHE (1968)
- Zwei kleine, feine Szenen absolviert Jack MacGowran als etwas schräger Paleontologe, den es ziemlich mitnimmt, als er erfährt das Behemoth getötet werden soll und ihm schließlich zum Opfer fällt. In DIE BANDE DES CAPTAIN CLEGG (1962) war er noch als erschrockener Mann zu sehen, in den 60ern war er dann auch in größeren Kinoproduktionen zu sehen, z.B. an der Seite von Peter O‘ Toole in LORD JIM (1965) und DOKTOR SCHIWAGO (1965) sowie Richard Lester’s WIE ICH DEN KRIEG GEWANN (1967) mit John Lennon. Seine bekannteste Rolle ist aber die des trotteligen Vampirjägers Prof. Abronsius in Polanskis TANZ DER VAMPIRE (1967). Seinen letzten Auftritt absolvierte er in DER EXORZIST (1973), kurz nach den Dreharbeiten starb er nur 54jährig an den Folgen einer Lungenentzündung.
- „Halb aufregender, halb lächerlicher Gruselfilm, vollgestopft mit pseudo-wissenschaftlichem Humbug. Inszenatorisch und tricktechnisch auf tiefstem Niveau.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)
- „[…] Louriés erste Regiearbeit hatte große Azswirkungen gehabt. Sein Erfolg und der von FORMICULA (1954) leitete den Zyklus der Monsterfilme im Science-Fiction-Film der 50er Jahre ein. Mindestens ebenso wichtig ist der Film dadurch, dass er Lourié als meister darin zeigte, durch Stimmung und beschwörende Beleuchtungseffekte Spannung zu erzeugen. Einige dieser Qualitäten sind auch in DAS UNGEHEUER VON LOCH NESS zu beobachten, besonders in jener Szene, in der das verdunkelte Labor nur durch das phosphoreszierende Leuchten eines Fisches erhellt wird. Aber der größte Teil des Films bleibt reine Routine […]“ (DIE SCIENCE FICTION FILMENZYKLOPÄDIE)