Alles fängt mit diesem Lied an: der gleichnamige Titelsong zu VOYAGE TO THE BOTTOM OF THE SEA (vorgetragen vom damaligen Teenieschwarm Frankie Avalon) ist eine derart grässliche Schnulze, daß sie zur Bekämpfung der Marsianer in Tim Burtons MARS ATTACKS! perfekt geeignet wäre:
Das funkelnigelnagelneue Atom-U-Boot „Seaview“, welches der geniale Wissenschaftler Admiral Harriman Nelson (Walter Pidgeon) ausgetüftelt hat, startet zur Jungfernfahrt. Doch wo man noch eben gemütlich am Nordpol umher schipperte, gilt es mit einem Mal durch eine Eisbrockensuppe zu manövrieren. Die Eisberge schmelzen dahin! Als die Seaview auftaucht, hängt der Himmel nicht voller Geigen – nein, er steht in Flammen! Die Ursache erfährt die Besatzung über Funk: der Van-Allen-Gürtel, der die Erde in einer Höhe von 500 km umgibt, brennt seit über 2 Tagen und hat die Temperatur auf 55 °C ansteigen lassen; Tendenz: steigend. Aus diesem Grund trommelt die UNO die weltbesten Wissenschaftler zusammen, um eine Lösung für das Problem zu finden. Admiral Nelson kommt gleich mit einer sehr waghalsigen Theorie an: „Wir müssen den Feuergürtel amputieren!“ Soll heißen: Mit der Kraft einer Atomrakete will Nelson den Feuergürtel aus dem Magnetfeld der Erde heraussprengen. Sein Vorhaben droht jedoch abgeschmettert zu werden, da einige Wissenschaftler-Kollegen die Befürchtung hegen, dass Mütterchen Erde gleich mit in die Luft fliegt. Wild entschlossen bricht Admiral Nelson mit der „Seaview“ auf, um seinen Plan praktisch im Alleingang umzusetzen, sieht sich aber dabei auf dem von ihm konstruierten U-Boot mit einigen Todesfällen und Sabotageakten konfrontiert…
Etwas Zeit brauch die „Seaview“ allerdings schon, ehe sie und mit ihr auch der Film an Tempo gewinnt. Zuvor noch muss Admiral Nelson seinen Gästen, die Ärztin Dr. Susan Miller (Joan Fontaine) und der Regierungsbürokrat Parker (Howard McNear), seine „Seaview“ zeigen; da werden alle möglichen Kontrolltafeln und Funktionen lang und breit erklärt. So wie Joan Fontaine in ihrem auffälligen, knalligen Kostüm von einem Raum zum nächsten stolpert, erinnerte mich das sofort an eine andere Dame während ihrer U-Boot-Besichtigung. Bei dem beschaulichen Rundgang darf natürlich auch ein Abstecher am Raketen- und Waffenraum nicht fehlen, wo laut Nelson mehr Sprengkraft lagert, als im gesamten 2. Weltkrieg verwendet wurde. Hollywood war schon immer kühn darin, Kriege zu verharmlosen – mit ganzer Sprengkraft.
Und dann wieder tischt man uns Geschichten auf, die ebenfalls jede Vorstellungskraft sprengen. Wo bereits in den 60ern die Erde in Spektakeln wie DER TAG, AN DEM DIE ERDE FEUER FING (1961) und EIN RISS IN DER WELT (1965) kurz vor dem Untergang stand, durfte auch Irwin Allen, der Weltuntergangs- und Katastrophenspezialist der 60er und 70er Jahre, nicht fehlen. Er war ein Vorreiter dessen, was Jahre später Leute wie Roland Emmerich und Michael Bay in die Kinos brachten, denn auch bei ihm drohte die Erde in völlig hinrissigen Plots unterzugehen, wenn nicht gestandene, zu allem entschlossene Mannsbilder die Initiative ergreifen würden. Und so ist UNTERNEHMEN FEUERGÜRTEL für die damalige Zeit jene Form der als Popcorn-Unterhaltung betitelten Science-fiction-Ausbeute, die in den 90ern in Disaster-Movies wie INDEPENDENCE DAY und ARMAGEDDON krachend und donnernd zur Geltung kam. Aus heutiger Sicht hat UNTERNEHMEN FEUERGÜRTEL ausschließlich Nostalgiecharakter. Natürlich wirken die Spezialeffekte aus heutiger Sicht überholt bis albern und trotzdem sieht man der Produktion an dem Aufwand, der angestrengt wurde, an, dass es sich nicht um eines der zahllosen B-Movies aus jener Zeit handelt. Zumindest gibt sich Irwin Allen sehr farbenfroh: knallbunte Taucheranzüge, blaues Wasser mit exotischen Meerespflanzen, der Feuergürtel, der den Himmel glutrot aufflammen läßt, dazu blinken und leuchten die Kontrolllämpchen in den verschiedensten Farben, das es eine Freude ist. Auch die Innenarchitektur erstrahlt in hellem, fröhlichem Licht; für die damalige Zeit beeindruckt vor allem die gläserne Front der Seaview, eine Art Aussichtsdeck. Platzangst und Paranoia, wie sie bei Wolle Petersen herrschte, kommen da gar nicht erst auf. Der Realismus geht flöten und an eine überzeugende U-Boot-Atmosphäre ist da gar nicht erst zu denken, doch damit hat wohl bei dieser haarsträubenden Geschichte keiner ernsthaft gerechnet.
Mit Kurs Richtung „Rettung der Erde“ (Ort und Zeitpunkt müssen beim Abschuss der Atomrakete berücksichtigt werden) gehts denn auch von einem Abenteuer zum nächsten: Eisbrocken, die ins Wasser plumpsen, müssen umschifft werden, ein Minenfeld sorgt für Aufregung und die U-Boote der UNO greifen an, um Nelsons Plan zu vereiteln. Dazu gibts getürkte Unterwasseraufnahmen aus dem Hollywood-Planschbecken: eine Hai-Attacke muss abgewehrt werden und ein röchelndes Krakenbiest, das glubschäugig auf dem Meeresboden hockt, breitet angriffslustig seine Tentakel aus. Kein Unterwasserfilm ohne Monster-Kraken. Und weil Irwin Allen einer nicht langte, läßt er noch einen Riesentintenfisch auf die arg gebeutelte „Seaview“ los, die darauf mit Stromschlägen antwortet. Auf ihr gehts inzwischen hoch her: ein Saboteur macht die Runde, die Besatzung steht vor der Meuterei und der Herr Admiral ist kurz davor durchzudrehen. Hat die helle Innenarchitektur doch nix genützt. Wo Allens Feuergürtel-Spektakel anfangs mit der Vorstellung der Charaktere eher lahm und gemächlich begann, da herrscht nun Aufregung und Dauer-Katastrophenalarm, auch wenn seine Regie bis zum Schluss träge und behäbig bleibt.
Die unmittelbaren Auswirkungen der Katastrophe (Waldbrände, Dürre etc.) verfolgt die Besatzung der „Seaview“ via Monitor, jedenfalls solange, bis Admiral Nelson Rundfunkverbot und Nachrichtensperre verhängt, denn: „Keine Nachrichten sind besser als schlechte.““Walter Pidgeon brilliert als Zigarre paffender, leicht größenwahnsinniger Despot, der seine Untergebenen tyrannisiert, immer Recht hat, Befehle kommentarlos ausgeführt haben will und sich auch nicht davor scheut, vorlaute Besatzungsmitglieder zu ohrfeigen. Klingt eher nach Louis de Funes. Admiral Harriman Nelson macht keinen Hehl daraus, wer hier das Sagen hat – und degradiert damit sämtliche Mitstreiter zu Stichwortgebern.
Joan Fontaine darf als Ärztin und Wissenschaftlerin, die das Verhalten von Menschen an Bord von U-Booten untersucht, im zunehmenden Verlauf der Handlung immerhin den Geisteszustand des Admirals in Frage stellen und sich zum Schluss als Mistkrücke offenbaren. Robert Sterling trifft’s als Captain Crane, der unter der Fuchtel des Admirals steht, am schlimmsten: es ist schon bezeichnend, das UNTERNEHMEN FEUGÜRTEL der bekannteste Film, der im Zusammenhang mit seinem Namen fällt, ist. Das ist aber auch eine undankbare Rolle, aber was will man von langweiligen, stets politisch korrekten Militär-Fuzzis auch erwarten.
Mit an Bord ist noch „die bezaubernde Jeannie“ Barbara Eden, die zu Beginn ’ne flotte Sohle auf’s Parkett legt und hier die Sekretärin vom Admiral und das Schnuckelchen vom Captain spielt – kein Weltuntergangs-Spektakel ohne Love-Story, so viel Zeit muss sein. Michael Ansara fischt man auch noch aus dem Wasser und der wandelt sich vom Wissenschaftler zum religiösen Fanatiker, der Teile der Besatzung mit seinen Weltuntergangs-Theorien aufwiegelt.
Der große Peter Lorre wirkt als Kommodore Lucius Emery, Nelsons rechte Hand, ziemlich unterfordert; meistens steht er irgendwo im Hintergrund oder an der Seite und gibt mit Händen in den Hosentaschen den einen oder anderen süffisanten Kommentar zum Geschehen ab. Doch ist Lorre einer von den Schauspieler-Genies, die gar nichts zu machen brauchen, deren bloße Anwesenheit genügt, um Entzücken hervor zu rufen. Allein schon sein knuffiges Gesicht spricht Bände. Amüsant ist die Szene zu Beginn, in der er mit Haidame Bessie auf Haispaziergang geht. Auch die Bemerkung eines Küchengehilfen über Admiral Nelson und Lucius Emery, die seit über 24 Stunden am Grübeln sind, sorgt für Schmunzeln: „Und die ganze Zeit haben sie nur schwarzen Kaffee getrunken und geraucht.““ Überhaupt wird auf der Seaview sehr viel geraucht, das ist auf den U-Booten, wie sie sich Irwin Allen vorstellt, gang und gebe.
Was sich Irwin Allen auch sonst vorgestellt hat, als er sich diese Wahnsinnsgeschichte ausdachte („…den Feuergürtel amputieren!““): am besten funktioniert sie, wenn man sie vornherein nicht ernst nimmt. So kann man an diesem charmant-altmodischem Katastrophenspektakel durchaus seine Freude haben. So sah das eben im Kino Anfang der 60er aus, wenn die Welt kurz davor war, unterzugehen. Als ein Zeichen seiner Zeit ist dies ein weiterer Beitrag dazu, die Atombombe als etwas Nützliches darzustellen – der Zweck heiligte schon immer die Mittel. In diesem Fall: Filmisches Wettrüsten mit pazifistischer gesinnten Werken aus jener Ära (wie z.B. DER TAG, AN DEM DIE ERDE STILL STAND oder GEFAHR AUS DEM WELTRAUM).
—> Wer es so richtig abenteuerlich-trashig mag, dem sei der umwerfende Schwarz/weiß-Schinken AUF DER U-17 IST DIE HÖLLE LOS empfohlen. Auch ein U-Boot-Reißer, in dem eine Atombombe eingesetzt wird, um mit dem Schlimmsten das Schlimmste zu verhindern.
—>Irwin Allens Namen fällt natürlich auch im Zusammenhang mit den von ihm produzierten, legendären SF-Serien TIME TUNNEL (1966-67, 30 Folgen), LOST IN SPACE (1965-68, 84 Folgen) und PLANET DER GIGANTEN (1968-70, 51 Folgen. 1974 inszenierte er die Actionsequenzen im stargespickten Klassiker FLAMMENDES INFERNO, des weiteren geht auch der schlechteste Hummelfilm aller Zeiten auf sein Konto: DER TÖDLICHE SCHWARM (1978).
—>Als UNTERNEHMEN FEUERGÜRTEL damals ins Kino kam, jaulten die Kritiker auf, dennoch war er so erfolgreich, dass Irwin Allen die TV-Serie MISSION SEAVIEW hinterher schob, die es zwischen 1964 und 1968 auf immerhin auf 110 Folgen brachte: „Hier prügelte sich die Mannschaft der Seaview mit allerlei Außerirdischen, menschlichen Amphibienwesen, Riesenkrebsen, Walen, ausländischen Spionen, Kommunisten, Werwölfen, Mumien, Schneemenschen, verrückten Wissenschaftlern, Schleimtriefmonstern und ähnlichem Kroppzeug herum.“ (Ronald M. Hahn & Volker Jansen; LEXIKON DES SCIENCE-FICTION-FILMS) Die Rolle des Admiral Nelson übernahm hierbei Richard Basehart, der im Gegensatz zu Pidgeon deutlich gemäßigter agierte.
—>Walter Pidgeon (1894 – 1984), den man vor allem als Dr. Morbius aus dem SF-Klassiker ALARM IM WELTRALL (1956) kennt, zog es 1973 in Daniel Petrie’s DIE ODYSSEE DER NEPTUN erneut unter Wasser. Joan Fontaine spielte 1966 im gelungenen Hammer-Horror THE WITCHES die Hauptrolle.
—>Barbara Eden und Michael Ansara waren zwischen 1958 und 1974 verheiratet gewesen. Ansara kennen STAR TREK-Fans vor allem als Klingone Kang, der in der Folge „Gleichgewicht der Kräfte“ (1968) Captain Kirk das Leben schwer machte und sich derartiger Beliebtheit erfreute, dass er auch in den Ablegern DEEP SPACE NINE (1994, „Der Blutschwur“) und VOYAGER (1996,„Flashback“) noch einmal in dieser Rolle auftauchen durfte
—>Unter den Besatzungsmitgliedern befindet auch Robert Easton, der als tumber Bauer im Lachschlager ANGRIFF DER RIESENSPINNE glänzte
—> „Lachhafte Gruselgeschichte in zeitnahem Gewand.“ (LEXIKON DES INTERANTIONALEN FILMS)
—> „Allens und Bennetts Drehbuch ist sehr dialoglastig, aber Abbotts Spezialeffekte“ (Höhepunkt ist der Kampf mit einem riesigen Kraken) sind wirkungsvoll.“ (DIE SCIENCE-FICTION-FILMENZYKLOPÄDIE)