DER WERWOLF
Spanien 1981 / O: "El Retorno del Hombre-Lobo" / AT: "The Craving"; "The Night of the Werewolf"; "Return of the Wolfman"; "The Wwerwolf" / Prod.: Dálmata Films S. A. / Laufzeit: 93 Min. (Blu-ray) bzw. 89 Min. (DVD); uncut) / FSK: ab 16
Regie + Buch: Jacinto Molina Alvarez [= Paul Naschy] / Kamera: Alejandro Ulloa / Schnitt: Pedro del Rey / Prod.: Modesto Pérez Redondo, Julia Saly
Paul Naschy (Waldemar Daninsky; dt. Fassung: Wolfmar Daninsky / Werwolf), Julia Saly (Elizabeth Bathory), Silvia Aguilar (Erika), Azucena Hernández (Karen), Beatriz Elorrieta (Mircaya), Rafael Hernández, Ricardo Palacios (Grabräuber) sowie Pepe Ruiz, Tito García, David Rocha, Charly Bravo u.a.
Mit der „Paul Naschy – Legacy of a Wolfman“-Sammelbox hat das engagierte Nischenlabel Subkultur Entertainment für alle Fans der spanischen Genre-Legende eine prachtvolle Schatzkiste aufbereitet. Nach und nach finden hier im 2-Monatsrhytmus 10 liebevolle Veröffentlichungen von und mit Jacinto Molina alias Paul Naschy ihr Zuhause. Nach der wunderbaren Dokumentation THE MAN WHO SAW FRANKENSTEIN CRY folgt mit dem 2. Beitrag DER WERWOLF aka EL RETORNO DEL HOMBRE LOBO der erste Spielfilm in dieser Box, dem hierzulande seine erste vernünftige Heimkino-Veröffentlichung (in diesem Fall als Blu-ray/DVD-Combo) überhaupt zuteil wird.
Sicherlich auch beflügelt vom Erfolg der US-Produktionen AMERICAN WEREWOLF und THE HOWLING sah sich Paul Naschy Anfang der 80er inspiriert, ein weiteres Mal in seine Paraderolle des knuffigen Werwolf-Sensibelchen Waldemar Daninsky, die er zuletzt 1975 in dem hierzulande unveröffentlichtem LA MALDECIÓN DE LA BESTIA verkörperte, zu schlüpfen. Dabei gibt es, und das ist ihm anzurechnen, nicht nur eine Kopie der oben genannten US-Genre-Klassiker, nein!, Paul Naschy blieb sich treu – und kopiert ganz einfach sich selbst. Er schmeißt sich nicht an Hollywood ran, sondern begibt sich einmal mehr in dieses urige, magische Paul-Naschy-Universum. Mit all den Werwölfen, Hexen, Dämonen, Vampiren, der schwarzen Magie, den finstren‘ Vollmond-Nächten und bösen Flüchen. Dazu erhabene Schauplätze: hier eine Gruft, da eine verfallene Schlossruine. Wunderbar! Und so schrieb, produzierte und inszenierte er mit sich selbst in der Hauptrolle einmal mehr einen typischen Paul-Naschy-Film: EL RETORNO DEL HOMBRO LOBO, hierzulande schlicht als DER WERWOLF betitelt. Warum auch immer, aber die deutsche Fassung hat aus Waldemar einen Wolfmar gemacht. Nun ja, letzten Endes heißen wir ja alle irgendwie.
Was diesen Film, ein rührig-naives Genre-Deja-vu mit vielen bekannten Zutaten und Archetypen, so drollig macht: Er ist wie aus der Zeit gefallen. DER WERWOLF stammt aus dem Jahre 1981, doch man hat das Gefühl, als sei er 10 Jahre vorher entstanden. Nehmen wir als Beispiel einfach die Verwandlung eines Menschen in einen Werwolf: Rick Baker gelang mit seiner Transformation in John Landis‘ AMERICAN WERWOLF ein Meilenstein der Make-up-Kunst, bei Paul Naschy vollzieht sich diese Wandlung ganz klassisch mit Hilfe von simplen Überblendungen. Überhaupt kommt in der knapp 5minütigen Verwandlungssequenz Freude auf, wenn Daninsky dabei die halbe Zimmereinrichtung zertrümmert und jedes Mal ein bisschen mehr nach einem knurrenden Werwolf aussieht, nachdem er hinter dem einen oder anderem Möbelstück verschwunden ist und mit noch mehr Gesichtsbehaarung wieder auftaucht.
Paul Naschy macht da auch keinen Hehl aus diesem Anachronismus und so geht es hier zu, wie in all seinen anderen Filmen: und zwar betont hochdramatisch, theatralisch-ernsthaft und ohne jegliche Ironie-Bekundungen. Und genau das gefällt mir schon mal. Ob das jetzt aber für abendfüllende Horrorfilm-Unterhaltung reicht, steht auf einem anderen Blatt.
So bedient er sich gleich zu Beginn ganz frech beim Mario-Bava-Klassiker DIE STUNDE WENN DRACULA KOMMT: Hier ist es also die Blutgräfin Báthory (Julia Saly, DAS BLUTGERICHT DER REITENDEN LEICHEN), die im Ungarn des 16. Jahrhunderts mitsamt ihrem Gefolge und ihrer Dienerschaft wegen ihrer „abscheulichen Verbrechen der Hexerei, des Vampirismus und des Umgangs mit dem Teufel“ zum Tode verurteilt wurde – und zwar durch Begraben bei lebendigem Leibe. Nicht ohne jedoch einem ordentlichen Fluch auf ihre Richter und Henker. Ebenfalls angeklagt: Waldemar Daninsky, der sich dummerweise in Vollmondnächten in einen Werwolf verwandelt – eine Eigenschaft, die die Blutgräfin sich zunutze machte.
Nach dieser etwas träge und schwunglos geschilderten Einleitung rasselt schließlich der Vorspann am Zuschauer vorüber. Wer sich hier über die überraschend hochwertige Musik wundern sollte: die ist zustande gekommen, weil das Geld für einen Komponisten nicht mehr langte und man stattdessen auf Archivmusik zugreifen musste. So findet im Vorspann Stelvio Ciprianis großartiges Stück „Too risky a day for a regatta“ (aus Ovidio G. Assonitis‘ DER POLYP – DIE BESTIE MIT DEN TODESARMEN, 1977) Verwendung, während später Teile aus Ennio Morricones legendärem „The Man with the Harmonica“ zu hören sind. Diese Musik ist mit das Beste am ganzen Film – dabei ist sie nur ein Plagiat.
Als Plagiat könnte man auch den nachfolgenden Handlungsverlauf bezeichnen: dieser entpuppt sich nämlich als Quasi-Remake von Leon Klimovskys Daninsky-Beitrag DIE NACHT DER VAMPIRE (1971), der von Subkultur praktischerweise als #3 in der Naschy-Box veröffentlicht wurde.
400 Jahre nach den im Prolog geschilderten Ereignissen lässt Regisseur und Autor Jacinto Molina zwei tumbe Grabräuber in ihr ganz persönliches Unglück tapsen. Ziehen sie dem toten Daninsky in seiner Beerdigungsstätte tatsächlich den Dolch aus seinem Herzen und läuten somit seine Rückkehr aus dem Reich der Toten in die Welt der Lebenden ein. Zur gleichen Zeit sind da auch noch – rein zufällig – drei junge Damen in der Gegend, denen Waldi erst aus der Patsche hilft und dann auf sein nicht mehr ganz so herrschaftliches Schloss bittet. Doch eine von ihnen, die hinterhältige Wissenschaftlerin Erika (Silvia Aguilar), hat sich der schwarzen Magie verschrieben und führt übles im Schilde: Sie hat die Grabkammer der Blutgräfin Báthory ausfindig gemacht und diese ebenfalls zu neuem Leben erweckt. Fortan steht Erika im Bann der Blutgräfin. Waldi hat sich derweil in Karen, Erikas ahnungslose Freundin, verguckt und hofft insgeheim, dass seine Liebe zu ihr ihn von seinem bösen Werwolf-Fluch befreien wird. Derweil sammelt die Blutgräfin einige verführerische, aber garstige Vampir-Ladys um sich…
Etwas enttäuschend ist es schon, dass Jacinto Molina alias Paul Naschy nicht mehr drauf hatte, als hier eine Geschichte aufzuwärmen, die er bereits 10 Jahre zuvor erzählte. In diesem Zusammenhang fallen einige der filmischen Macken, Marotten und Schrulligkeiten, die Bestandteil seiner früheren Filme ab Ende der 60er bis Mitte der 70er waren, diesmal deutlich negativer ins Gewicht – allen voran: die tempoarme, teilweise zähe und schleppende Inszenierung, eingebettet in einer konfusen, wirren und umständlichen Erzählweise. Natürlich lass ich mich unheimlich gerne von der wunderbar betulichen Langsamkeit dieser Film-Oldies einlullen, aber eine etwas flüssigere Szenenabfolge wäre in dem Zusammenhang gar nicht mal sooo verkehrt gewesen. Bisweilen wirken die Szenen wahllos aneinander gereiht: Da turtelt unser Naschybär in einer Szene mit seiner Liebsten im Bett herum, nur um kurz darauf in der nächsten in einer vollmundigen Vollmondnacht zum sabbernden Werwolf zu mutieren.
Andernfalls kann DER WERWOLF mit einer wirklich starken Atmosphäre punkten, was sicher auch ein Verdienst der routinierten Kameraarbeit von Alejandro Ulloa (1926 – 2002) ist, der u.a. die Filme für Regie-Größen wie Lucio Fulci, Sergio Corbucci, Antonio Margheriti und Enzo G. Castellari fotografierte. Ob nun die Auferstehung der Vampire, die perfekt in Szene gesetzten Nebelschwaden, die wabernd den Euro-Grusel vergangener Kinotage heraufbeschwören, oder überhaupt das ganze monströse Treiben in den Gängen von Daninskys einstmals herrschaftlichem Schloss-Labyrinth: Im wahrsten Sinne des Wortes beleuchtet Kameramann Alejandro Ulloa dieses urige Monster-Crossover eingehend und schafft damit eine märchenhaft-morbide, stimmungsvolle Atmosphäre, die an die Genre-Produktionen der 60er und frühen 70er Jahre erinnert. Für das Jahr 1981 wirkt das ganze Treiben bestenfalls sehr, sehr charmant, doch wer etwas für diese alten Filmchen übrig hat, lässt sich von der kindlichen Naivität, mit der man sich hier in das schaurige Grusel-Gewusel stürzt, gerne anstecken.
- Lange, nachdem DER WERWOLF bei uns gekürzt im Kino lief und auf Video veröffentlicht wurde, kann man ihn durch die Veröffentlichung von Subkultur neu entdecken. Bild und Ton der Blu-ray sind vielleicht nicht immer optimal, doch kann davon ausgegangen werden, dass DER WERWOLF hier in der weltweit besten Fassung vorliegt. Das Bonusmaterial fällt etwas spärlich aus, aber immerhin gibt es noch die schrabbelige Retro-Fassung zum Film sowie eine erweiterte Szene (4:41 Min.), eine Bildergalerie (5:20), Englische Credits (2:41) sowie den spanischen und englischen Trailer (je 3:22). Das 16seitige Booklet von Carlos Aguilar gefällt dadurch, dass es eben nicht durch die rosarote Fanboy-Brille geschrieben wurde, sondern auch einige kritische Anmerkung zu der Person Paul Naschy enthält. Alle weiteren Daten zu dieser ansonsten gelungenen Veröffentlichung finden sich hier: ofdb.
- „(…) Sicherlich nicht Naschys bester Film, wohl aber ein Film, bei dem das Zuschauen einfach Spaß macht. Und dies trotz des überaus holprigen Drehbuchs, das weder logisch ist, noch seine Geschichte stringent vorantreibt. wettgemacht wird dies durch viele wunderschöne Szenen wie beispielsweise die Erweckung der Blutgräfin oder die Duelle mit den Vampiren, die zuvor von Bathory geschaffen wurden.“ (Marcus Menold. VIRUS #62 01-2015)
- „(…) Formal sowie inhaltlich (…) sehr einfach und einfallslos gehalten. (…) So bleibt als Gesamteindruck nur ein zwiespältiges Flickwerk in Erinnerung.“ (Frank Trebbin, DIE ANGST SITZT NEBEN DIR)
- „Mönsch ist das aufregende, wenn man einen IQ von unter 90 Punkten hat.“ (Ronald M. Hahn & Rolf Giesen, DAS NEUE LEXIKON DES HORRORFILMS)
- „Pappmasché-Grusel, verbunden mit einer makaber-romatischen Liebesgeschichte und einigen parodistischen Ansätzen, die durch das Unvermögen der Inszenierung verpuffen.“ (LEXIKON DES INTERNATIONALEN FILMS)